Umzug (meist) wider Willen

Umzug (meist) wider Willen

Umzüge sind nicht beliebt. in keinem Alter. Wenn es in eine größere Wohnung oder Haus geht, freut man sich darauf, aber nicht auf den Umzug und all das, was ihm voran geht. Im „Seniorenalter“ wird die Vorfreude zu dem Thema eher kleiner – so wie in den allermeisten Fällen die Wohnung oder das Haus. Das Schwerste ist wohl das Sich-Aufraffen. Das bewußte Sichten der Dinge (Möbel, Bücher, Fotoalben…), von denen man sich aus Platzgründen trennen will, aber nicht tennen mag, führt oft zu einem schnellen Verschieben des Projektes. Vor kurzem konnte ich in der Nachbarschaft sehen, wie eine Dame viele Monate nach dem Tod des Partners den Weg in den vollgestopften Keller wagte, nach kurzer Umschau und ein wenig Zupfen hier und Drücken dort „ach, ich bin noch nicht so weit“ aufstöhnte und das Kellerentleerungsvorhaben einstweilen verschob. So geht es den allermeisten. Wenn aber der Umzugswagen vor der Tür steht, ist es zu spät. Sinnvolles Trennen von „bleibt hier“ und „kommt mit“ sollte viel früher begonnen werden. Das sagt sich leicht.

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                                      Dort möchte man meist lieber bleiben als dorthin zu ziehen…

Aber es gibt Hilfe. Wenn es nicht die Freunde oder die Familie ist und man tatsächlich selbst anpacken muss, könnte man sich in diesem Beitrag ziemlich umfassend schlau machen und auch den einen oder anderen Trick zur verdammt notwendigen Überwindung des inneren Schweinehundes finden. Man darf sich nur nicht an dem (IKEA-) Geduze stören, das einen manchmal an so unleidig bevormundende Formulierungen wie „Hat es uns denn heute geschmeckt?“ erinnert. Wie gesagt: davon abgesehen, eine echte Hilfe!

 

Frührentenbegeisterung

Frührentenbegeisterung

In den letzten Wochen war auf vielen Kanälen zu sehen, hören und lesen, dass die Babyboomer weitflächig den frühen Ausstieg aus dem Arbeitsleben suchen. Verschiedene Modelle des Ausstiegs sind je nach Arbeitgeberinteresse und Eigenbereitschaft zu kompensatorischen Vorauszahlungen möglich. Aber das Detail spielt hier keine Rolle. Wie kann es sein, dass eine Generation, die es so gesund und sorgenfrei wohl noch nie in diesem Land gegeben hat, sich lemmingshaft um Frühverrentung bemüht? Fake news? In diesen Zeiten muss auch diese Frage erlaubt sein. Ich habe jedenfalls nirgends genauere Zahlen nachlesen können. Aber nehmen wir an, es stimmt. So fallen mir zwei Erklärungsmuster btw. Trigger ein: Weg vom Job und rein ins Rentenvergnügen. Bei Möglichkeit eins lässt sich fragen, ob die Fluchtwilligen den falschen Job gewählt haben, ob die Arbeitgeber es an Sensibilität im Umgang mit älteren MitarbeiterInnen fehlen lassen oder ob die aktuelle Debatte um KI und Roboter so verstörend wirkt, dass man sich so schnell es geht von Bord des Arbeitsschiffes Deutschland machen will?

Neonschild mit der Botschaft "Escape"

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Alternativ lockt die schöne, neue Rentenwelt. Und dies verlockender als all die vermeintlich gut passenden Jobs: die vorangegangenen Generationen sowie auch die folgenden blicken neidvoll auf die finanziellen Möglichkeiten der Babyboomer-Generation. Sicher gibt es Ausnahmen, aber im statistischen Mittel verfügt diese Generation über eine einzigartige Finanzausstattung. Sind es nun die Reisen, das Ferienhaus im Süden oder in Schweden? Die Lust am Coachpotato-Dasein wird jedenfalls kaum hörbar als Grund für die neue Rentenseligkeit genannt. Von der Bereitschaft, sich in der Gesellschaft zu engagieren ist auch immer wieder dieRede. Aber muss man dafür gleich verfrüht in Rente gehen? „Sich selbst so eigentümlich fremd“ lautet eine lyrische Zeile. Ich bin jedenfalls gespannt, was Demoskopen und Soziologen dereinst über die Motivation der Babyboomer, sich so früh wie möglich aus dem Arbeitsleben zu verabschieden, veröffentlichen werden. Vielleicht aber grätscht die Politik im Interesse der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (bezahlbare Rente für die Jüngeren) noch in die bekundeten Pläne hinein?

Diät lass nach!

Diät lass nach!

Endlich gibt es nach den vielen Verzichtsappellen auch mal wieder Gourmetfreuden, die nicht nur mit dem Altwerden kompatibel zu sein scheinen, sondern dieses vielleicht in Massen zu verlangsamen vermögen. Wenn man der Botschaft Glauben schenken mag. Zink hat eine neue, den Alterungsprozess verlangsamende Funktion zugesprochen bekommen. Einige Studien – zuletzt an der Universität Nürnberg-Erlangen – belegen, dass Zink im genannten Sinne hilfreich sein kann. Aber Zink muss an andere Stoffe gebunden werden, denn sonst funktioniert das komplexe chemo-physikalische Adaptionsverfahren seiner helfenden Kräfte in unserem Organisamus nicht. Und die Stoffe, die Zink für uns fruchtbar machen können, sind – man höre und freue sich: Schokolade, Kaffee, Tee und Wein. Letzterer allerdings mit mögichst wenig Alkohol. Die Details verstehen wohl nur einen kleinen Kreis von Nahrungsexperten. Interessanter ist, dass die Studienleiterin aus Erlangen, Prof. Ivana Ivanovíc-Burmazovíc, es für möglich hält, dass wir bald mit Zink versetzte Varianten der oben genannten Nahrungsmittel im Supermarkt finden werden.

Noch ohne Zink: der Kaffee aus Sansibar.

Also vielleicht sollten wir schon 2019 darauf achten, ob unser Kaffee im Kleingedruckten den Hinweis „mit Zink angereichert“ trägt. Wohl bekomm’s.

Altersspaziergang als (Noch-)Baustelle

Altersspaziergang als (Noch-)Baustelle

In Hamburg gibt es (jetzt im Mai 2018) ein „soft opening“ für einen neuen Rundgang im Rahmen der Dialogreihe (Dialog im Dunkeln, Dialog im Stillen): Dialog mit der Zeit. Von einem/r älteren/r Begleiter/in geführt (68+) macht man seine Erfahrungen mit „dem Alter“. Ob das nun 70 oder 90 Jahre sind, wird nicht definiert. Das überzeugt, denn wir altern ja alle unterschiedlich. Man gerät anhand von auszuwählenden Bildern im Rahmen der Besuchergruppe mit seinen und anderen  Altersvorstellungen in den Dialog, spaziert durch erfrischend bunt gehaltene Räume, um Schwerhörigkeit, Schwachsichtigkeit und Tatter am eigenen Leibe zu erleben. Verschiedene Hilfsmittel ermöglichen den Zeitsprung in die verunsichernde  Zukunft. Projezierte Gesichter erzählen einem aus ihrem Leben und machen deutlich, dass man sich stets fragen sollte, ob man auf dem richtigen Weg ist – bevor es zu spät ist. Ein Quiz mit aktuellen Zahlen und Fakten schliesst den etwa einstündigen Rundgang ab. Das Ganze ist sympthisch und einfühlsam aufgebaut und (zumindest in unserem Fall) von einer gewinnenden Mentorenpersönlichkeit begleitet. Aber schraubende und schweißende Handwerker, fehlende Drahtverbindungen und schlechte Akustik hinterlassen den Eindruck, dass zumindest jetzt noch einiges zu erledigen ist. Bleibt zu hoffen, dass dieser Dialog bis zu seiner richtigen Eröffnung am 25. Mai noch ein wenig weiter Richtung Vollendung bearbeitet wird. Dann könnte er nicht nur für Hamburger zu einer ebenso unterhaltsamen wie bereichernden Ausflugsoption werden. Wohlgemerkt: auch für noch ordentlich junge Menschen!

Das Tempo der Lebenszeit

Mit Blick in unsere Geburtsurkunde finden wir unser objektives Alter. Dazu kommt ein subjektiver Blick auf sich selbst und andere, die sich zum Vergleich anbieten. Oft hält man sich für jünger, manchmal auch für älter. Schulklassentreffen warten immer wieder mit dem selben Phänomen auf: wo früher maximal drei Jahre Altersunterschied herrschten, weitet sich die Skala beim ersten Hingucken auf gut 15 Jahre. Bei manchem rinnt die Lebenszeit schneller aus dem Stundenglas.

Natürlich wissen wir, dass Schicksalsschläge, aber eben auch unsere Lebensweise die Fliessgeschwindigkeit dieses Stundenglaes durchaus beeinflussen können. Nun hat die AOK einen Fragebogen ins Netz gestellt, der einem sein „wirkliches Alter“, also nicht das von der Geburtsurkunde, verrät. Interessant sind die Fragen, die die Gesundheitsstatistiker herausgesucht haben, um ein Tachometer für die Ablaufgeschwindigkeit unseres Lebens zu „konstruieren“. Gucken Sie doch mal rein.

Jugend, Alter, Zauber: Roger Hodgson in der Alten Oper zu Frankfurt a. M.

Durch den Winterregen strömen die Menschen zum imposanten Musentempel am Opernplatz: Pärchen um die 60, Kleingruppen zu viert oder fünft. Kein Schlips, keine Lederjacken, keine langen Kleider, keine bunten Netzstrumpfhosen. Freundlich unscheinbare Menschen aus der Mitte der Gesellschaft. Weißliche Dampfwolken umgeben die Raucher auf den Stufen vor dem Einlass. Gemächlich geht es die Treppen aufwärts. Im haltlos verkorksten, kantinenhaften Interieur des Wartesaals werden Sektchen, Weine und ein paar Flaschen Bier zum entspannten Warten genommen. Es ist voll. Laut Internet gab es noch eine einzige Karte. 70 Euro für einen Platz mittlerer Güte bilden ein natürliches Selektionsmittel, da spielen die Getränkepreise auch keine Rolle mehr. 90% des Publikums gehört dem erweiterten Generationskreis der Baby Boomer an. Als Roger Hodgson und Supertramp 1979 Breakfast in America, das erfolgreichste Album dieser Mainstream Popband veröffentlichten, waren die meisten Konzertbesucher also zwischen 10 und 30 Jahre alt. Diese Platte markiert den Zenit der Band. Auch wenn es später noch zwei, drei Songs gab, die es in die oberen Lagen der Charts schafften, war der Kernbestand an Liedern, mit denen Supertramp auf bedingte Ewigkeit hin assoziiert wird, bereits geschrieben. Zuallermeist von Roger Hodgson, dem Herz und Hirn der Band, komponiert – auch wenn Rick Davies einige Songs und Richard Palmer die meisten Texte für sich reklamieren kann. Hodgsons Falsettstimme wurde mit den Jahren immer mehr zum Erkennungszeichen von Supertramp. 1984 begann er seine Solokarriere, während Supertramp nach einem Schwenk in Richtung Jazz, Rock und R&B ohne große neue Erfolge weiter tourte. Die schöpferische Phase war abgeschlossen. Hodgson und Supertramp gingen getrennte Wege, verwalteten parallel den kreativen Kernbestand ihrer früheren Jahre.

Immer mal wieder eine alte Platte aufzulegen, macht Spaß – egal ob Bach, Miles Davis oder eben Supertramp. Aber jemanden live zu betrachten, der nun seit gut 30 Jahren seine früheren Ideen vorführt? Weniger Vorfreude als Unwohlsein bestimmt meine Gefühlswelt beim Eintritt in den schüsselhaften Saal. Ein musikalischer Hamster im Rad? Ein Zombie, der die Schöpfungskraft seiner ersten 30 Jahre immer wieder neu gegen die Anfeindungen der Zeitläufte in Stellung bringt? Ein idealistischer Meister, der sich und sein Publikum mit musikalisch beliebig reproduzierbaren Jugendgefühlen die Tür in eine stets bessere Welt öffnet? Der Abend wird es erweisen. Vielleicht.

Ein übersichtliches, fast bescheidenes Bühnenarrangement: zwei bambusähnliche Hecken im Hintergrund von wechselnden Lutschbonbonfarben beleuchtet. So stellt man sich den Innenraum eines Thai-Massagesalons in Unna oder Bad Schandau vor. Hinten – schön symmetrisch – Keyborder und Drummer, zentral vor ihnen der E-Bass, vorne links an der Bühnenrampe der Holzbläser mit Saxophonen, Piccoloflöte und anderem. Vorne rechts ein kleines, mit weißem Hemd und Weste bekleidetes Männchen mit irisierenden Bewegungen am ebenfalls weißen Keybord: Roger Hodgson. Die blonde Struwelmähne, die dünnen Beinchen, ja die ganze zarte Gestalt und der jungenhafte Schwung seiner Bewegungen zeigen auch hier, wie alterslos die Bühne einen halten kann. Ich habe kein Opernglas zur Hand, aber wie 65 sieht er wirklich nicht aus. Es folgen warme, freundliche Worte über Frankfurt und das deutsche Publikum als solchem. Roger ruft Vornamen auf, die ihm im Vorfeld ihre Musikwünsche zugemailt haben. „Oh, you are so shy“, bedauert er, wenn sich keiner meldet. Liebenswert. Das Publikum dankt ihm jede Erläuterung, warum gerade jetzt einer der „Kernbestandsongs“ zu spielen sei. School. Viele stehen auf. In den ersten Reihen gehen die Arme nach oben. Vor mir wiegt sich eine weiße, kurzärmelige Bluse im Takt. Neben ihr schlägt sich – nach einer gewissen Anlauffrist – der zugehörige Partner ohne jedes Rhythmusgefühl die Hände gegen die bejeansten Oberschenkel. Aktivität scheint gefragt. Hat man ja früher doch auch so gemacht. Der Klang von der Bühne ist voll und angenehm laut. Nicht zu viel des Guten. Gleiches gilt für den Scheinwerfereinsatz. Kaum Stroboskop, keine Nebelmaschine. Kein Chichi. Dreamer. Die Smartphonebildschirme wiegen sich im Takt. Feuerzeuge braucht man ja nicht mehr dafür. Die weiße Bluse vor mir ist wieder aufgestanden. Der Partner bleibt sitzen. Man kann es ja auch übertreiben. Nach zwei Stunden Programm und 15 Minuten Zugaben ist der Traum vorbei. Die Stimmung steigt bis ins gediegen Frenetische. Beim abschließenden Ausatmen und Entleeren des Saals sieht man viele Pärchen noch eine Weile in inniger Umarmung verweilen. Die Musik hat sie glücklich gemacht oder sie mit Glücksmomenten in der Vergangenheit kurzgeschlossen. Beseelte Gesichter laufen auf den Stufen abwärts. Der Realität entgegen. Roger Hodgson hat erfolgreich den Peter Pan gegeben. Er, der nicht alternde Junge, hat den allermeisten Besuchern für gut 140 Minuten einen herrlichen Besuch in ihrem persönlichen Neverland ermöglicht. Dafür sollte man eigentlich dankbar sein. Der Gedanke an Kitsch scheint wohl nur bei jenen auf, für die Supertramp noch nie eine Tür ins Zauberland geöffnet hat.

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