Wann ist man zu alt zum Arbeiten?

Wann ist man zu alt zum Arbeiten?

Über die letzten Jahre hat sich der durchschnittliche Eintritt ins Rentenalter, also die Beendigung des Berufslebens, nach hinten verschoben. Die staatlich gesetzte allmähliche Anhebung auf ein Renteneintrittsalter von 67 ist mit dafür verantwortlich. Aber auch die Entdeckung der Tatsache, dass „die Alten“ nicht beliebig leicht durch jüngeres Personal ersetzt werden können, lässt viele Unternehmen vom traditionellen Arbeitsplatzverbot ab 65 Abstand nehmen. Und dann gibt es noch die, die ganz freiwillig lang und länger arbeiten. Unser Bundespräsident hat sich nach eigenen Worten schon entschlossen, ob er im kommenden Februar mit stattlichen 77 Jahren eine zweite Amtszeit wagen will oder nicht.

Copyright: Bundesregierung / Jesco Denzel

Copyright: Bundesregierung / Jesco Denzel

Wann er sich der Öffentlichkeit erklärt, ist wohl noch ungewiß. Egal: ein Mann mit einem Leben voller unterschiedlicher Berufe und Berufungen, der finanzielle keinerlei Nöte auszustehen hat, überdenkt, ob er nochmals fünf Jahre dranhängt. Ist er verrückt? Nein, er folgt dem Vorbild anderer Berufener, Menschen, die genau das tun, was sie gut und vor allem gerne tun. Die Berufung nimmt der Arbeit einen Gutteil ihrer dunklen Seite: das Wollen überwiegt bei Weitem das Müssen.Vielleicht sollten wir alle bei Zeiten an unseren Berufswahlhebeln so lange drehen bis wir unsere Tage mit etwas füllen, dass uns vor der Frage „Tauben füttern oder Töpferkurs?“ bewahrt.

„Ueberalterung“ – Eine Begriffskritik

Zugegeben: der Begriff ist nicht ganz neu, aber in den diesjährigen Sommerlochwochen fällt er mir häufiger auf als zuvor. Vielleicht sollte man die Floskel von der „Überalterung unserer Gesellschaft“ nicht einfach still und miesepetrig nickend zur Kenntnis nehmen, sondern sie sich einmal langsam auf der Zunge zergehen lassen. Die Vorsilbe „über-“ hat im Deutschen keinen guten Leumund: Übertreibung, Übereifer, überstrapazieren, Übermaß. Zuviel des Guten. Dieses „über-“ bezieht sich auf einen imaginären gesellschaftlichen Kompromißpunkt, an dem noch alles ok ist. Der Body-Maß-Index weiß, wann Untergewicht und wann Übergewicht herrschen. Viele Mediziner und eine Reihe von Studien erlauben uns aber, die Gültigkeit dieses Null-Meridians in Frage zu stellen. Viele Dicke werden gesünder alt als viele „Idealgewichtler“. So einfach ist es also nicht.

Bei der „Überalterung“ sieht es eigentlich genauso fragwürdig aus. Dennoch ist der Begriff en vogue. Noch.
So, dann fragen wir doch mal, wo denn nun die politisch und habituell korrekte „Alterung“ steht. Bei einem Landesaltersdurchschnitt von 20 Jahren? Einige nordafrikanische Nationen können damit aufwarten? Oder bei der Maßzahl der USA? Frankreich und Polen sind auch jünger. Na und? Die Feststellung einer „alternden Gesellschaft“ trifft auf Deutschland zu. Unser nationales Durchschnittsalter steigt seit Jahren. Aber dass es sich dabei um eine „Überalterung“ handelt, ist ein konservatives Geschmacksurteil. Früher war alles besser. Sogar die Menschen waren jünger. Im Durchschnitt.

Man könnte sich den griesgrämigen Beigeschmack der  „Überalterung“ versuchsweise einfach mal schenken und feststellen: Deutschland ist unterwegs auf einem spannenden Weg, dessen Begleiterscheinungen und Ziel überhaupt noch nicht absehbar sind. Schön, wir brauchen wohl mehr Pflegekräfte undundund. Aber diese Beobachtungen stehen fast immer unter dem Vorzeichen des deutschen Alarmismus: „Vorsicht, es ändert sich etwas. Alle Mann in den Graben und gemeinsam Trauergesänge anstimmen.“

Ich plädiere für den gleichen Glauben an ausreichende Kompetenz und fähige Organisation in unserem Lande, die die Energiewende zum Erstaunen der Restwelt möglich erscheinen lassen. Sicher bildet das kollektive Altern kein nationales Wunschziel, aber die Chancen – trotz mancher Hindernisse auf dem Weg – klüger zu werden und sich in vieler Hinsicht gesellschaftlich neu zu definieren, sind hier ebenfalls gegeben.
In diesem Sinne trinke ich auf die Alterung unseres Landes!

Sommerlektüre

Sommerlektüre

Leicht, ironisch, aber mit dunklem Hintergrund kommt „Alte Liebe“ daher. Ein höchst unterhaltsames So-einfach-mal-weglese-Buch, das man jedoch ohne Anflüge von Melancholie kaum zu Ende bringen wird. Elke Heindenreich und Bernd Schroeder haben den Alltag eines Alt-68 Ehepaares ausgeleuchtet: die kleinen und doch so prägenden Aufgaben des Tages, die Erinnerungen und die familiären Großereignisse wie eine frisch anstehende Hochzeit der Tochter und ein Besuch der digital desorientierten Enkel-Zicke ergeben eine Zusammenstellung, die an Kadinskys Bild „Das bunte Leben“ erinnert. Harry und Lore – die Protagonisten – wechseln sich mit ihren Blicken auf das Geschehen nach ein paar Seiten jeweils ab. Diese kunstvolle Form des indirekten Dialogs trägt Erhebliches zum Lektüreglück bei. Frohes Lesen!

Elke Heidenreich / Bernd Schroeder: Alte Liebe. Carl Hanser Verlag, München 2009.

 

 

Und was studierst Du gerade?

Und was studierst Du gerade?

Seit Jahren ist die Gruppe der Alten und Ältesten jene mit der am schnellsten steigenden Beteiligung am Internet. Die Inhalte des WWW sind aber noch immer tendenzielle jugendlastig. Kein Wunder: zwischen den Fähigkeiten eigenständig zu surfen und Inhalte gewinnend im Netz präsentieren zu können klafft eine beachtliche Lücke. Angesichts von zig Millionen Netz-Seiten wird wohl niemand mit Sicherheit sagen können, wann und in welchem Ausmaß sich dies Verhältnis ändert. Aus dem Alten-Marketing lässt sich aber lernen, dass die Alten eben nicht als besondere Zielgruppe angesprochen werden wollen, denn es gilt immer stärker: „Alt sind nur die anderen!“ So hat sich manches Angebot, das gezielt die Alten im Fokus hatte, aus dem Markt wieder verabschiedet oder wurde grundlegend umgestellt; ein Beispiel können Sie hier nachlesen.

Platon beim Tagesgeschäft: dialogisieren

Erfolgreicher sind jene Seiten, die Überblick über verschiedene Märkte verschaffen. In diesem Sinne ist die academia matura ein hoffnungsfroher Neuling im Netz. Hier werden Wissens- und Kulturangebote gezielt gesammelt und optisch ansprechend aufbereitet. Was den universitären Bereich angeht, so wird man als Nutzer mit konkreten Ansprechpartnern, Vorbedingungen und Details zu evtl. Studienbestrebungen in verschiedenen deutschen Städten versorgt. Das schafft für den Interessierten durchaus Erleichterung. Die kulturellen Angebote sind hingegen noch entwicklungsfähig. Sie lesen sich wie von der Tourismusbehörde der jeweiligen Kommune abkopiert. Und dass man in Hamburg eine Hafenrundfahrt machen kann und in München ein Zoo zu besichtigen ist, verraten dem Reisewilligen auch die entsprechenden Stadtportale. Ein bisschen Spezifischer darf´s hier also durchaus noch weden.  Aber für die alten Erst- oder Zweitakademiker bietet sich ein Besuch der Seite nachhaltig an. Denn wir wissen es: Hans lernt etwas anders, aber nicht minder erfolgreich als Hänschen es getan hat.

 

Irgendwo zwischen Messe und Kirchentag

Irgendwo zwischen Messe und Kirchentag

In der kommenden Woche findet in Hamburg der 10. Detsche Seniorentag statt. Gibt es Tage des Deutschen Jugendlichen? Oder Deutsche Kindertage? Was auf den ersten Blick zugewandt und bekümmert wirkt, könnte auch als diskriminierend gelesen werden. S. Frauenquote.

Blickt man in das umfangreiche Programm, wird man sich allerdings mit Nörgeln schwer tun: viele Facetten mit Altersrelevanz finden sich über drei üppig gefüllte Tage verteilt. Bundespräsident Gauß eröffnet, und auch die Kanzlerin wird am Freitag Nachmittag eine Rede halten. So weit, so bedeutsam. Es spricht nichts dagegen, kommende Woche mal in Hamburg vorbei zu schauen und sich selbst ein Bild über den öffentlichen Stand der Diskussion zu machen.

Vielleicht doch ein bißchen zu kindlich?

Wie lange noch, Herr Wulff, wollen Sie unsere Geduld missbrauchen?

Ein thematischer Bruch: es geht heute nicht um interessante Seiten des Alterns. Es geht um Anstand, Würde und die Frage, was wir Bürger dem Amt und dem Amtsinhaber des Bundespräsidenten abverlangen wollen.

Ab Gustav Heinemann habe ich alle Präsidenten im Fernsehen erlebt. Mancher kam mir komisch vor, einige waren mir sympathischer als andere. Aber jeder von ihnen schien von der Würde des Amtes aufgerichtet und mein kleines Ich weit zu überragen. Ich spürte mehr als nur einen Altersabstand. Richard von Weizsäcker brachte mich manches Mal sogar zu moralischen Selbstbefragungen. Auch wenn ich häufiger ihre Ansichten nicht teilte, fiel es mir leicht, allen Bundespräsidenten Respekt zu zollen. Die medial vermittelten Persönlichkeiten im Amt schienen mir dies zu verdienen. Mit Horst Köhlers beleidigtem Rücktritt erstarb mein Respekt.

Christian Wulff war von Anfang an eine B-Besetzung. Ich vermute, dass auch das Herz der Kanzlerin für Joachim Gauck schlug. Aber das Machtdomino mit den CDU-Granden gebot die Aufstellung von Christian Wulff.

Auf unwürdige Startbedingungen folgte eine enttäuschende Wahl und ein enttäuschender Start: es war keine Elite, nicht einmal Parteielite, was da ins Schloss Bellevue zog. Es war Durchschnitt. Einer von uns. Einer, der auch mal auf dem Behindertenparkplatz hält, um den Lotterieschein abzugeben. Einer, der sein Ehrenwort mit gekreuzten Fingern hinter dem Rücken abgibt, einer, der seine Putzfrau nicht angemeldet hat, einer, der altersbedingt seine erste Ehe entsorgt. Einer wie wir. Im weiteren zeigte sich, dass er den meisten von uns im Filettieren der Wahrheit, im Nutzen von Schnäppchenangebote, im Verwechseln von Freundschaft und Netzwerk weit voraus ist.

Brauchen wir so einen Bundespräsidenten? Wenn wir mit Brecht feststellen, dass wir ein glückliches Volk sind, das keinen moralischen Führer braucht, dann sollten wir den moralischen Orientierungssimulanten Wulff samt Amt schnellstmöglich aufgeben. Wenn wir aber meinen, dass es gut wäre, zwischen den Verwerfungen der Globalisierung, den Fieberkrämpfen von Euroland und dem Innovationsdruck von Forschung und Demographie von Zeit zu Zeit ein kompetentes, unabhängiges und wohl bedachtes Wort zu hören, dann sollten wir Bürger der präsidiale Fehlbesetzung Wulff ein Ende machen. Schon der Chor in Sophokles´ Antigone wusste:

Ehrt des Landes Gesetz er und der Götter

Beschworenes Recht –

Hoch steht dann seine Stadt.  Stadtlos ist er,

der verwegen das Schändliche tut.

Christian Wulff hält sich an das Schändliche. Helfen wir ihm die nötigen Konsequenzen zu ziehen solange wir noch an die Bedeutung seines Amtes zu glauben vermögen!

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