Sitzen macht alt

OK: dass Bewegung besser ist als ewig den Hosenboden zu scheuern, ist uns allen längst bekannt. Nun hat aber eine Zwillingsstudie am Londoner King´s College gezeigt, in welchem Ausmass Bewegungsvermeidung den Menschen vor der Zeit genetisch altern lässt. Das Indiz dafür war nicht der schöne Schein, sondern die Anzahl bzw. die Länge der Telomere – das sind die Endstücke der Chromosomen. Schon länger wird gemutmasst, dass hier der Schlüssel für den Alterungsprozess insgesamt verborgen liegt. Jedenfalls weisen die bewegungsfreudigen Zwillinge in der genannten Studie im Vergleich mit ihren stubenhockerischen Ebenbildern bis zu zehn Jahre Altersunterschied auf – im Hinblick auf die Länge ihrer Telomere. Sie wirken also nachhaltig jünger. Und jetzt? Vielleicht wenigstens mal einen Spaziergang machen?

Radfahren? Radfahren!

Meine Mutter vermittelte mir als Kind, dass Fahrradfahren eine prima Sache wäre. Allerdings nur für Kinder, vielleicht auch noch für junge Leute (so hiess das damals) in der Ausbildung oder im Studium. Danach aber – so ging ihr Urteil mehr zwischen den Zeilen weiter – schickt sich diese Form der Fortbewegung nicht mehr. Auch wenn ich meine Mutter ungern kritisiere, hier irrte sie geradezu fundamental. Das Fahrrad bietet eine ökologisch hoch erfreuliche Form der Weiterbewegung. Also günstige Mobilität auch für all jene, die PKWs nicht (mehr) fahren möchten, und dennoch in Bewegung bleiben wollen. Fahrradfahren ist gelenkschonend, stärkt das Herz-Kreislaufsystem und bringt via frische Luft und Bewegung automatisch rote Backen. Nun muss ich meiner Mutter in einer Sache aber doch Recht geben: richtig alte Menschen wirkten auf Fahrrädern früher eher unglücklich. Was zu einem Gutteil darin begründet lag, dass es keine altengerechten Fahrräder gab.

Dieser Tage spazierte ich an zwei Fahrradgeschäften vorbei, und siehe: die Dinge haben sich nachhaltig geändert: die Mehrzahl der ausgestellten Neufahrzeuge waren solche mit extratiefem Einstieg: bequem auch für diejenigen nutzbar, die ihre Knie nicht mehr ganz so hoch bekommen und/oder vor ausladenden Bewegungen Furcht verspüren. Also die Fahrradproduzenten haben verstanden, dass ihre Zukunft weniger in Kinder- oder Rennrädern liegt, sondern dass das wachsende Segment nun  jenes der „Bequemräder“ ist. Jetzt braucht man dies Angebot nur weise zu nutzen!

Der Boxer als Wiedergänger

Ist das ein Zufall? Im Kino ist just Rocki Balboa gelaufen, Sylvester Stallones Spätwerk, das auf ungeahnt sensible Weise das Thema des alten Boxers, der doch wieder in den Ring muss, thematisiert. Und nun zog es Henry Maske mit 43 Jahren nach zehn Jahren Boxabstinenz wie Balboa ebenfalls zurück zwischen die Seile. Balboa ist älter, aber immerhin lässt Stallone ihn den Kampf nicht gewinnen. Maske hat – wider alle Erwartungen – einstimmig nach Punkten gewonnen. Seiner Frau versprach er, dass dies der einzige Auftritt im Ring bleiben werde. Ging es ihm ums Geld? Um die Selbstdarstellung? Um die Gewissheit, nicht zum alten Boxeisen zu gehören? In jedem Fall kann man ihm zu der Selbstüberwindungsdisziplin gratulieren, die den Fight überhaupt erst möglich gemacht hat – egal, ob man nun für Boxästhetik schwärmt oder nicht. Eines aber sollte man aber nicht vergessen: sein Gegner Virgil Hill zählt ebenfalls bereits 43 Lenze.

Wer mit der Zeit geht…

Mit 90 anderen Skifahrern in einer Gondel. Nur ein Paar andere Skier ist länger als die meinen. Der Rest fährt mittlerweile Carver. „Ist viel einfacher“ „Macht viel mehr Spaß!“ Bin ich ein Fossil? Rückständig? Dem Neuen abgewandt? Nein! Auch gute Carver kommen an die Eleganz geübter Skifahrer nicht heran. Viele – nicht nur Jugendliche – carven viel zu schnell über die Pisten und gefährden sich und andere mehr als dies angetrunkene Skifahrer früher taten. Rasen zu können ohne sich aufs Bremsen zu verstehen fällt dem Carver leichter als dem Skifahrer.
Ich glaube, es macht Spaß und ist richtig, sich hin und wieder auf der Basis durchdachter Argumente einem Trend nicht anzuschliessen und schlichtweg beim Alten zu bleiben. Immer nur Mitzumachen hält nicht jung! Ausserdem: Irgendwann wird die Industrie fast jedem einen Carver angedreht haben und dann ohnehin die langen Latten wieder ins Programm hieven. Schließlich werden ja auch zunehmend wieder Vinylschallplatten gepreßt.

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