10.01.2022 | Allgemein, Alzheimer, Demenz, Forschung, Zukunft
Demenz und Alzheimer sind längst bekannte Alterserkrankungen. Eine Reihe von Ansätzen, wie man sie eingrenzen oder sogar stoppen kann, gibt es. Bislang hat aber keiner dieser Ansätze zu einem Durchbruch geführt. Daher ist es vernünftig, der Prävention besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Emma Nichols von der University of Washington geht von einem Wachstum der demenzverwandten Krankheiten von 57 Millionen 2019 auf 153 Millionen weltweit Erkrankte im Jahre 2050 aus. Also beinahe eine Verdreifachung. Allerdings fällt die Zunahme regional sehr unterschiedlich aus. Europa und die fortgeschrittenen Teile Amerikas und Asiens werden bedeutend niedrigere Steigerungsraten sehen als Afrika und der arabische Raum. Japan – jetzt schon überaltert – wird mit nur 27% die geringste Zunahme prognostiziert.
Alzheimerportrait von Rad Cyrus, unsplash: „Kommt der Gedanke noch?“
Warum diese Unterschiede? Demographische Entwicklungen, Aufklärungsarbeit und kulturelle Prägungen ergeben hier einen Begründungsstrang, der nicht einfach aufzulösen ist. Beispielsweise zeigen sich Deutschlands Gesundheitswächter momentan besonders sensibel für die Folgen von Alkohol. Die Gefahr für unser Leben wird mit immer detaillierteren Studien belegt. Alkohol wird bei uns auch gerne als Mitverursacher von Demenz und Alzheimer genannt. Alkohol – so kann man sagen – hat mittlerweile den Tabak als Hauptbösewicht abgelöst. Aber im arabischen Raum ist Alkohol aus religiösen Gründen verpönt. Dennoch werden hier die höchsten Wachstumsraten für Alzheimer und Co. angenommen. Alles-über-einen-Kamm-Scheren funktioniert also nicht. Daher konzentrieren sich die kulturübergreifenden Präventionsempfehlungen auf vier Kernfaktoren, deren begünstigender Einfluss auf die Entwicklung der „Vergessenskrankheiten“ unstrittig ist: Rauchen, Übergewicht, geringe Bildung und zu hoher Blutzuckerspiegel. Das sind sicherlich Hinweise, die der einzelne ernstnehmen oder – bei günstigen Voraussetzungen – auch umsetzen kann. Selbstverantwortung schön und gut. Aber der Staat darf sich auch nicht wegducken. So zitiert das Wissenschaftsmagazin scinexx das US-amerikanische Fachblatt The Lancet mit den Worten: „Vor allem Länder mit geringem und mittlerem Einkommen sollten nationale Programme initiieren, um ihrer Bevölkerung Bildung und eine gesunde Lebensweise zu ermöglichen und nahezubringen“, sagt Coautor Theo Vos von der University of Washington. „So ist es wichtig, strukturelle Ungleichheiten beim Zugang zu Gesundheits- und Sozialversorgung anzugehen, vor allem angesichts einer immer älter werdenden Bevölkerung.“ (The Lancet Public Health, 2022; doi: 10.1016/S2468-2667(21)00249-8)
11.08.2020 | Allgemein, Bildung, Philosophie, Psychologie, Wissenschaft, Wohlbefinden
Innerhalb einer Woche sind mir zwei Meldungen von Studien zum Problemfeld Alkoholkonsum in den Blick gekommen. Da es nicht um eine ganz spezielle Meldung geht, sondern um die Anmaßung, mit der die allermeisten Ratgeber ihre Nutzer zu Abhängigen, ja zu Opfern machen, erspare ich mir hier die Quellenangabe. Schon früher wusste man: „Glaube keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast!“ Dennoch ist es verlockend, die zentralen Botschaften von Studien – zumal universitären – zu glauben. Die Mittel von Logik und Nachprüfbarkeit sind natürlich dem Aberglauben und der nächtlichen Krötenschau oder Ähnlichem überlegen, aber dennoch haben eben auch Statistiken ihre Tücken. Man kann durch das Werlassen von Rahmenbedingungen Ergebnisse in einem helleren (eindeutigeren) Licht erscheinen lassen als sie das eigentlich verdient haben. So las ich, dass bereits 1 Gramm Alkoholzufuhr pro Tag zu einer Alterung des menschlchen Gehirns von exakt 11 Minuten führt. Man mag sich natürlich fragen, wie man bei noch arbeitenden Gehirnen diese 11 Minuten nachweisen kann. Egal, ein paar Tage später kamen erfreulichere Neuigkeiten: nicht übertriebener Alkoholkonsum führt im Alter zu besseren Reaktionszeiten unseres Gehirns als ihn – statistisch – Nicht-Alkohol-Trinkende erreichen. Wenn es um eine mediengerechte Botschaft dieser Studie ginge, könnte sie wohl so lauten: „Leichter Alkoholkonsum schützt vor Alzheimer“. Hoch die Tassen? Nein, angesichts von hunderten und aberhunderten von Ratgebern und Studien könnte man sich fragen, warum man nun gerade derjenigen, die einem heute via TV oder Zeitung vor Augen kommt, glauben sollte. Und damit wären wir bei Kant. „Wage Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ Diese Forderung gilt in Zeiten der medial vermittelten Überfülle von Informationen genauso wie zu Zeiten, da man nur eine oder zwei Quellen zur Verfügung hatte. Die Verantwortung, sich als Individuum zu sehen und Entscheidungen nach wohlabgewogenen Dialogen mit den inneren Stimmen (in unserem Beispiel: der Weinliebhaber, der Altersängstliche, der Vorsichtige, der soziale Trinker, der Selbstgewisse, etc.) zu treffen, ist unser zentrales Recht – und vielleicht sogar Pflicht – als selbstbestimmte Geschöpfe.
Die vermeintliche Sicherheit
Schon als Kind machte mich der medial geführte Kampf zwischen Butter- und Margarineindustrie kirre: Jede Seite behauptete, ihre Produkte wären der Garant für Gesundheit und Wohlbefinden. Meine Eltern kamen zu dem weisen, ja salomonischen Schluß, dass morgens Butter und abends Margarine aufs Brot kam. Vielleicht ist dieser Weg, die Mitte zwischen den verfeindeten und mit Akribie argumentierenden Positionen zu suchen, noch immer der beste. Jürgen Habermas hat einmal formuliert: Wahrheit entsteht im Dialog. Vielleicht sind wir ganz gut beraten, wenn wir zu jeder Studie und zu jedem Ratgeber zunächst eine konträre Meinung, ein anders argumentierendes Studienpapier suchen, bevor wir uns entscheiden. Kants Definition der Aufklärung, „Der Auszug aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit“, bleibt für uns alle eine lichte Forderung – auch im Umgang mit Ratgebern.
15.11.2008 | Allgemein, Arbeitswelt, Wohnen
…kann wohl niemand exakt beschreiben. Dennoch bat mich jüngst die Redaktion von carestyle einen Versuch über das Alten- und Pflegeheim im Jahre 2038 zu wagen.
„Haus Utopos
Bericht aus der Zukunft
Josephine Kendrak fährt mit ihrem Rollstuhl einen Meter vor und dann wieder zurück, vor, zurück. In ihrer rechten Hand hält sie einen elektronischen Abzieher mit dem sie Meter für Meter Teile der Aussenglasfront des Westsalons reinigt. Sie hat Knotendienst.
Es ist ein noch fast spätsommerlich warmer Oktobertag im Jahre 2038. Der Westsalon gehört zum Haus Utopos, einem Alten- und Pflegeheim, das vor gut zehn Jahren auf dem Gelände eines aufgelassenen DB-Depots im Hamburger Westen eröffnet wurde…“
Der Artikel ist in carestyle 9.2008 zu finden.
Aber wen es interessiert, der kann auch hier weiterlesen:haus-utopos