15.05.2023 | Allgemein, Demographie, Forschung, Gesundheit, Psychologie, Wissenschaft
Kennen Sie das Phänomen? Sie fragen jemanden nach seinem Alter und bekommen eine doppelte Antwort: Zum einen das tatsächliche Alter, zum anderen einen Hinweis darauf, dass sich die oder der Befragte eigentlich jünger fühlt. Der Pass zeigt nur die halbe Wahrheit.
Bezogen auf die Außenperspektive ist dies ein alter Hut: man denke an ein Klassentreffen 25, 40 oder 50 Jahre nach dem Schulabschluss. Ein Drittel der Gesichter erscheint einem deutlich älter als man selbst. Und einige scheinen „irgendwie stehengeblieben zu sein“: sie wirken einfach jünger als sie sollten. Hier sehen wir die unterschiedliche Alterungsgeschwindigkeit von außen.
Die Zeitung Spektrum berichtet von einer Untersuchung, die das Phänomen der subjektiven – also inneren – Differenz von gefühltem und realem Alter analysiert hat.
Die Daten des Sozio-Oekonomischen Panels (SOEP) zeigen, dass die meisten Menschen sich für jünger halten als sie tatsächlich sind. Eine Forschergruppe der Berliner Humboldt-Universität ist der Frage nachgegangen, ob es sich hier um einen gleichbleibenden Trend handelt oder ob der Abstand zwischen realem und gefühltem Alter auch mit den Jahren verändert. Und weiter: gibt es auch generationsübergreifende Veränderungen? Die Frage nach dem subjektiven Alter wurde den Probanden zwischen 1996 und 2020 generationsübergreifend mehrfach gestellt. Und siehe da: Im Mittel fühlen sich die befragten 11,5% jünger als sie es sind. Eine 50-jährige wird sich also eher für Anfang, Mitte 40 halten. Wobei die 11,5% ein Mittelwert darstellen. Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt wächst die Differenz zwischen tatsächlichem und gefühltem Alter um 1,6%.
Dieser Wert steigt obendrein von Generation zu Generation. Das ist umso merkwürdiger, da das real erreichte Alter von einer Generation zur nächsten ja (zumindest statistisch) bereits angestiegen ist. Und nun fühlen sich die jungen Alten auch noch subjektiv jünger!
Interessant sind auch die Abweichungen: Frauen empfinden eine größere Differenz zwischen ihrem gefühlten und tatsächlichen Alter als Männer. Für Westdeutsche gilt der Trend stärker als für Ostdeutsche. Einsamkeit und chronische Krankheit verringern (wie ich finde sehr nachvollziehbar) den Unterschied.
Untersuchungen bestätigen, dass das subjektiv niedrigere Alter einen ernsthaften Hinweis auf Gesundheitsstand und Wohlbefinden gibt. Wer sich jünger fühlt, ist allermeist körperlich und geistig fitter als die statistisch seinem Alter zugeschrieben wird.
Es lebe die Phantasie!
07.03.2022 | Allgemein, Arbeitswelt, Demographie, Rente, Wohlbefinden, Zukunft
Nach 25, 30 Berufsjahren packt so manchen die Frage: „Das soll´s jetzt gewesen sein?“ Denn nicht alle Berufe füllen einen aus. Nicht alle Unternehmenskulturen sind so gestrickt, dass man morgens gerne den Weg in die Firma, die Fabrik, das Büro antritt. Frührente? Nicht nur angesichts der augenblicklichen Inflation für die meisten eine No-go-Area. Also nochmals 10,15 Jahre innere Emigration oder Stellenwechsel? Man kennt die Branche und weiß oft gut genug, dass bei der direkten Konkurrenz der Rasen auch nicht grüner gedeiht. Der notwendige Mut zum großen Neustart in einer anderen Branche ist vielen nicht gegeben. Sollte es dennoch bis zur Bewerbung reichen, wird man mit 50+ oft darauf hingewiesen, dass man ja aus einer anderen Branche käme und (das folgt dann eher zwischen den Zeilen) man ausserdem in dem Alter ja nicht mehr lernfähig und flexibel genug wäre. Die netten Hochglanzflyer aus den Personalabteilungen sind das eine. In ihnen wird Wert und Würde der alternden Workforce über den grünen Klee gelobt. Geht ja auch angesichts unserer demographischen Entwicklung kaum anders. Aber wenn der Zugriff auf junge Bewerberinnen und Bewerber möglich ist, landen die Flyer schnell im Aktenschrank.
Letzte Ausfahrt Selbstständigkeit?
„Ja eigentlich habe ich ja genug Markterfahrung, um es auch allein zu versuchen.“ So oder ähnlich mag die Kopfgeburt des Selbstständigmachens beginnen. Aber dann wird deutlich: es gibt keine Assistenz, keine Kollegen, keine Justiziarin, keine Einkaufabteilung, kein Marketing, kein Vertrieb etc. Also alles macht man selbst und ständig! Nach diesem Gedankengang sehen viele nur noch das STOP-Schild vor dem Abbiegen auf diesen alternativen Berufsweg. Na klar, es gibt Existenzgründungshilfe vom Job-Center. Das mag für den Start reichen, aber nach kurzer Zeit befinde ich mich völlig solo im resonanzfreien Raum meiner Selbstständigkeit. Dass kann so nicht funktionieren.

Nun scheint es eine ernsthafte Alternative, nein: Unterstützung für das Abbiegen in die Selbstständigkeit zu geben. Das Gründungszentrum 50plus baut auf eine wachsende Community Gleichgesinnter, mit deren Unterstützung der Weg dann doch gangbar sein könnte. Eben weil er nicht allein im resonanzfreien Raum passieren muss.
Nach dem Beitritt, der in verschiedenen (finanziellen) Schritten möglich ist, erhält man Zugang zu Sparringspartnern, Geschäftsideen, kollegialem Austausch oder Kooperationspartnern mit einem ähnlichen Mindtset. Ob das alles so toll ist, muss man natürlich ausprobieren. Aber von der Grundidee her gibt es in diesem Gründungszentrum genau all das, dessen Fehlen viele vom Selbstständigmachen abgehalten hat. Ich meine, wer diesen kleinen Risikoschritt nicht zu gehen wagt, der sollte das Schnuppern an der kalten Luft der Selbstständigkeit tatsächlich lieber beenden. Dass die benutzte Software „denglischt“ („Sign in“, „Text me the app“ oder „Request to join“) ist wohl ein ärgerlicher Startfehler, aber davon sollte man sich nicht zurückhalten lassen.
24.05.2020 | Allgemein, Demographie, Europa, Forschung, Wohlbefinden, Wohnen
Alternde Gesellschaften können voneinander lernen. Im europäischen Kontext tauscht man sich auch über die nationalen Erfahrungen aus, für das Leben von älteren Bürgern und Bürgerinnen angenehmere Rahmenbedingungen zu schaffen. So werden unter dem Titel “ Innovationen für ein aktives Altern durch Dienstleistungsgestaltung“ unterschiedliche Forschungsvorhaben vorgestellt. Von Bulgarien über Finnland , Polen und Deutschland haben sich Forschergruppen aus acht europäischen Ländern unterschiedliche Aspekte des Lebens im Alter vorgenommen und Lösungsvorschläge erarbeitet. Die Förderung der Sozialen Intergration und eine Sensibilisierung und Verbesserung der öffnentlichen Verwaltung stehen dabei im Vordergrund. Die EU finanziert das Projekt, das deutlich macht, dass die europäische Forschungslandschaft nicht nur mit Prestigeprojekten wie der Raumfahrt beschäftigt ist, sondern oft ganz eng an den dann doch wieder sehr ähnlichen Bedürfnissen ihrer Bürger und Bürgerinnen in den verschiedenen Ländern der EU forscht. Näheres kann man hier und hier nachlesen.

Das Alter ist nicht änderbar, aber die Rahmenbedingungen
03.04.2019 | Allgemein, Arbeitswelt, Demographie, Finanzen, Geschäftsinteresse, Konsum, Psychologie, Staat
In den letzten Wochen war auf vielen Kanälen zu sehen, hören und lesen, dass die Babyboomer weitflächig den frühen Ausstieg aus dem Arbeitsleben suchen. Verschiedene Modelle des Ausstiegs sind je nach Arbeitgeberinteresse und Eigenbereitschaft zu kompensatorischen Vorauszahlungen möglich. Aber das Detail spielt hier keine Rolle. Wie kann es sein, dass eine Generation, die es so gesund und sorgenfrei wohl noch nie in diesem Land gegeben hat, sich lemmingshaft um Frühverrentung bemüht? Fake news? In diesen Zeiten muss auch diese Frage erlaubt sein. Ich habe jedenfalls nirgends genauere Zahlen nachlesen können. Aber nehmen wir an, es stimmt. So fallen mir zwei Erklärungsmuster btw. Trigger ein: Weg vom Job und rein ins Rentenvergnügen. Bei Möglichkeit eins lässt sich fragen, ob die Fluchtwilligen den falschen Job gewählt haben, ob die Arbeitgeber es an Sensibilität im Umgang mit älteren MitarbeiterInnen fehlen lassen oder ob die aktuelle Debatte um KI und Roboter so verstörend wirkt, dass man sich so schnell es geht von Bord des Arbeitsschiffes Deutschland machen will?

Image by Sarah Lötscher from Pixabay
Alternativ lockt die schöne, neue Rentenwelt. Und dies verlockender als all die vermeintlich gut passenden Jobs: die vorangegangenen Generationen sowie auch die folgenden blicken neidvoll auf die finanziellen Möglichkeiten der Babyboomer-Generation. Sicher gibt es Ausnahmen, aber im statistischen Mittel verfügt diese Generation über eine einzigartige Finanzausstattung. Sind es nun die Reisen, das Ferienhaus im Süden oder in Schweden? Die Lust am Coachpotato-Dasein wird jedenfalls kaum hörbar als Grund für die neue Rentenseligkeit genannt. Von der Bereitschaft, sich in der Gesellschaft zu engagieren ist auch immer wieder dieRede. Aber muss man dafür gleich verfrüht in Rente gehen? „Sich selbst so eigentümlich fremd“ lautet eine lyrische Zeile. Ich bin jedenfalls gespannt, was Demoskopen und Soziologen dereinst über die Motivation der Babyboomer, sich so früh wie möglich aus dem Arbeitsleben zu verabschieden, veröffentlichen werden. Vielleicht aber grätscht die Politik im Interesse der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (bezahlbare Rente für die Jüngeren) noch in die bekundeten Pläne hinein?
15.08.2018 | Demographie, Gesellschaft, Gesundheit, Wissenschaft
Da der Anteil der Alten (wo das anfängt, kann man beliebig individuell festlegen) an der deutschen Gesamtgesellschft laufend zunimmt, ist es kein Wunder, dass sich das wissenschaftliche Interesse am Alterungsprozeß und allem was dazugehört parallel aufwärts entwickelt. In welchem Ausmaß dies der Fall ist, könnte man sich vom 6. bis 8. September betrachten. Denn dann findet der gemeinsamen Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie (DGGG) sowie der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) in Köln statt. Mehr als 1000 deutsche Altersforscher und Pflegekräfte werden sich versammeln. DGGG-Kongresspräsidentin Professorin Ursula Müller-Werdan benennt die Absicht: „Unser Ziel beim Kongress ist Vielfalt. Wir versuchen, einen gemeinsamen Forschungsansatz zu denken, wo man Alterskrankheiten aus den Alterungsprozessen heraus versteht – biologisch, medizinisch, psychologisch und sozial.“ Angesichts von Hauptvorträgen wie „Erfolgreiches Altern bei Hundertjährigen“ oder „Big Data im Gesundheitswesen“ ist es fast schade, dass nur Pressevertreter, aber keine Öffentlichkeit zugelassen ist. Aber vielleicht berichten ja die Medien…Wer es noch genauer wissen will, kann hier nachlesen.
18.05.2018 | Allgemein, Demenz, Demographie, Konsum, Kultur

In Hamburg gibt es (jetzt im Mai 2018) ein „soft opening“ für einen neuen Rundgang im Rahmen der Dialogreihe (Dialog im Dunkeln, Dialog im Stillen): Dialog mit der Zeit. Von einem/r älteren/r Begleiter/in geführt (68+) macht man seine Erfahrungen mit „dem Alter“. Ob das nun 70 oder 90 Jahre sind, wird nicht definiert. Das überzeugt, denn wir altern ja alle unterschiedlich. Man gerät anhand von auszuwählenden Bildern im Rahmen der Besuchergruppe mit seinen und anderen Altersvorstellungen in den Dialog, spaziert durch erfrischend bunt gehaltene Räume, um Schwerhörigkeit, Schwachsichtigkeit und Tatter am eigenen Leibe zu erleben. Verschiedene Hilfsmittel ermöglichen den Zeitsprung in die verunsichernde Zukunft. Projezierte Gesichter erzählen einem aus ihrem Leben und machen deutlich, dass man sich stets fragen sollte, ob man auf dem richtigen Weg ist – bevor es zu spät ist. Ein Quiz mit aktuellen Zahlen und Fakten schliesst den etwa einstündigen Rundgang ab. Das Ganze ist sympthisch und einfühlsam aufgebaut und (zumindest in unserem Fall) von einer gewinnenden Mentorenpersönlichkeit begleitet. Aber schraubende und schweißende Handwerker, fehlende Drahtverbindungen und schlechte Akustik hinterlassen den Eindruck, dass zumindest jetzt noch einiges zu erledigen ist. Bleibt zu hoffen, dass dieser Dialog bis zu seiner richtigen Eröffnung am 25. Mai noch ein wenig weiter Richtung Vollendung bearbeitet wird. Dann könnte er nicht nur für Hamburger zu einer ebenso unterhaltsamen wie bereichernden Ausflugsoption werden. Wohlgemerkt: auch für noch ordentlich junge Menschen!
