Musizieren hält unseren Kopf fit

Musizieren hält unseren Kopf fit

Dass geistige Anregung eine gute Brandmauer gegen Alzheimer und Demenz darstellt, hat sich rumgesprochen. Auch hier wurde schon davon berichtet, dass Musikhören auch im Alter eine heilsame Wirkung hat. Nun haben Forschende der Universität Exeter festgestellt, dass aktives Musizieren (am wirksamsten auf dem Klavier) oder Singen (am besten im Chor) eine Art Schadenfreiheitsversicherung für das alternde Gehirn darstellen.

An der seit zehn Jahren laufenden Online-Studie „Protect“ haben sich 25.000 Menschen beteiligt. Die Studie belegt, dass aktives Musizieren die Gedächtnisfähigkeit unseres Gehirns stärkt. Gleiches lässt sich über die Fähigkeit, komplexe Aufgaben zu lösen, festhalten. Beim Chorsingen – so macht die Studie klar – ist nicht genau messbar, welche positiven Effekte allein der Musik oder dem sozialen Miteinander des Chors zuzurechnen sind. Hochwahrscheinlich ist es gerade die Mischung, die das Gehirn der Singenden positiv unter Strom hält.

Klavier mit offenem Notenhefr

Es muss ja nicht gleich Beethoven sein

Die Förderung der musikalischen Bildung bzw. die Schaffung niederschwelliger Möglichkeiten für Ältere, zur Musik zurückzukehren, liegen damit ganz offensichtlich im Interesse der öffentlichen Gesundheit. Aber ehe man auf Klavierunterricht im Seniorenheim wartet, sollte man wohl besser selbst tätig werden. Chöre gibt es wohl noch in jeder deutschen Stadt. Und Noten en gros im Internet.

Deutschlands Demographie und die Folgen für die Alterspflege

Deutschlands Demographie und die Folgen für die Alterspflege

Die Deutschen werden immer älter und bekommen zu wenig Kinder. Das ist bekannt. Aber was bedeutet das für die Pflegebedürftigen von heute und morgen? Kurz gesagt: potentielle Armut. Die Pflegeversicherung wurde 1995 eingeführt. Das heißt, dass viele der jetzt Pflegebedürftigen wenig oder gar nichts in diese Versicherung eingezahlt haben. Das ohnehin unterfinanzierte System blutet jetzt bereits aus. Es verlangt nach Reformen.

Die shz beruft sich auf den Pflege- und Finanzexperten Bernd Raffelhüschen. Dieser meint, dass sich das Verhältnis von häuslicher und stationärer Pflege drastisch ändern werde: heute werden acht von zehn Pflegebedürftigen zuhause gepflegt. Lediglich zwei in einer Einrichtung. Die Tendenz ginge – so Raffelhüschen – Richtung halbe/halbe. Die Durchschnittsrente beträgt heute 1.500€. Dem stehen durchschnittliche Heimpflegekosten von 2.600 € gegenüber. Die Schere wird weiter auseinandergehen. Wo soll das Geld herkommen?

Zwei Hände und ein leeres Portemonnaie

Foto von Emil Kalibradov auf Unsplash

Die Rechtslage

Angespartes Vermögen wird zur stationären Pflege hinzugezogen, wenn die Rente nicht ausreicht. Ein gesetzlich garantierter Schonbetrag ausgenommen. Dann ist – falls gegeben – der Verkauf von Wohnung oder Haus fällig. Es sei denn, der Partner oder die Partnerin wohnt noch dort. Eine vorzeitige Überschreibung an das Kind oder die Kinder ist nur dann hilfreich, wenn diese mindestens 10 Jahre vor der Pflegefälligkeit getätigt wurde. Sonst tritt eine „Schenkungsrückforderung“ in Kraft. Wer also gespart hat und sich seinen Klein-Häuschen-Traum erfüllt hat, wird genauso zur Kasse gebeten wie ein Immobilienmogul. Wer Sparen für überflüssig oder nicht nötig oder möglich gehalten hat, bekommt hingegen Unterstützung aus der staatlichen Sozialkasse. So undifferenziert scheint mir dies nicht das Maximum an möglicher Gerechtigkeit zu sein.

Aber weiter:

Kinder, die mehr als 100.000 € Jahreseinkommen beziehen (§ 94 Abs. 1a SGB XII), werden seit 2020 zur Deckung der Lücke verpflichtet. Wie immer, gibt es auch hier gesetzliche Ausnahmen. So ist z.B. ihr möglicher Immobilienbesitz davon aber nicht betroffen.

Und nun?

Die häusliche Pflege ist für die Angehörigen mit Verlust von Karrieremöglichkeiten, also langfristigem Gehaltsverlust verbunden. Die Option, Pfleger oder Pflegerinnen ins Haus zu holen, wird – mangels Unterbringungsmöglichkeit auf der einen Seite, mangels Personal auf der anderen Seite – immer schwieriger.
Wenn wir uns möglichst viel Mühe geben, körperlich, sozial und geistig fit zu bleiben, löst dies nicht das Problem, aber es wird ein bisschen überschaubarer. Die Hoffnung, dass der Staat sich der Sache annehmen wird, läuft ins Leere. Schon jetzt belaufen sich die Zahlungen des Bundeshaushaltes in das marode Rentensystem auf rund ein Viertel des Gesamtetats. Alles nicht so rosig!

 

 

Das nächste Mal beim Hausarzt

Das nächste Mal beim Hausarzt

Auch die Blutwerte können berichten, wie es uns geht.

Jeder von uns hat ein natürliches Gefühl für seine Gesundheit. Eigentlich. Beruflicher oder privater Stress, schlechte Ernährung, wenig Schlaf und/oder verschiedene Suchtmittel können dieses natürliche Gefühl für die körperlichen Bedürfnisse selbst runterdimmen oder abtöten.

Die Funktionalität kann man beispielweise am Appetit beobachten: wenn wir sparsam mit Zucker umgehen, wird uns früher oder später vom Körper die Botschaft gesendet „Jetzt aber ab zum Konditor, Kuchen kaufen! Oder Schokolade, oder, oder, oder. Der gesunde Körper gibt ein Signal zu einem Mangelzustand. Hat man ununterbrochen Lust auf zuckerhaltige Produkte, ist die Kommunikation situativ gestört oder ganz kaputt.

Aber wenn wir dieses Gefühl verloren haben? Was tun? Das Portal inFranken.de berichtet über die Warnsignale, die unser Blutbild transportiert. Im Regelfall vertrauen wir ja unserer Hausärztin, aber vielleicht ist es ganz schlau, sich die folgenden Biomarker zu merken und beim nächsten Arztbesuch mal nachzuhaken, wie es denn um sie steht. Diese Biomarker im Blut signalisieren, wie weit unsere Hormon-, Vitamin- und Mineralstoffhaushalte von der Norm abweichen oder eben nicht. Damit sind sie auch ein Frühwarnsystem für schwerere Störungen, die zu Diabetes oder Krebs führen können.

So zählen Herzinfarkte und Schlaganfälle zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland. Eine Früherkennung ist daher für ein langes Leben besonders wichtig. Zeigt das Blutbild einen erhöhten Lp-PLA2-Wert, so ist dies ein Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall. Die ausgeschriebene Form dieses Markers muss man aber wirklich nicht kennen.

Ein zweiter wichtiger Signalgeber im Blut ist Homocystein. Erhöhte Werte deuten auf ein Risiko für Arteriosklerose und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Schlaganfall oder Thrombose hin. Die Erhöhung deutet zum einen auf ein hohes Alter hin, zum anderen können Rauchen oder ein Mangel an den Vitaminen B6, B12 und B9 den Wert erhöhen.

Leuchtturm gibt Signale

       Auch ein Signalgeber

Vitamin D ist bei zahlreichen Stoffwechselprozessen beteiligt. Es stärkt die Knochen, fördert das Immunsystem und hat einen positiven Einfluss auf unser Wohlbefinden. Da wir dies bevorzugt durch Tageslicht aufnehmen, geht es uns im Durschnitt im Sommer besser als im lichtarmen Winter. Also raus an die Luft, sobald der Himmel aufklart. Bei missliebigem Wetter oder erhöhter Lichtempfindlichkeit weiß die Hausärztin, welche Nahrungsmittel (oder im Extremfall auch Nahrungsergänzungsmittel) hier Ersatz schaffen können.

Das Eiweiß CRP gehört zum körpereigenen Immunsystem. Ist sein Wert erhöht, könnte eine Entzündung im Körper die Ursache sein. Häufiger genannt werden hier Blasen-, Bauchspeicheldrüsen-, Lungen- oder Blinddarmentzündungen. Nach einer Operation, bei manchen Tumoren oder bei einem akuten Herzinfarkt kann der Wert ebenfalls erhöht sein. Morbus Crohn oder Rheuma können ebenfalls zu einem erhöhten CRP-Spiegel führen.

Pflege, quo vadis?

Pflege, quo vadis?

Dass die Situation der Pflegeeinrichtungen in Deutschland zwischen problematisch und dramatisch zu verorten ist, ist nichts Neues. Anfang 2020 musste ein Pflegebedürftiger für einen Platz im Heim im Schnitt (nach Angaben des Verbandes der Ersatzkassen) pro Monat 1.940 Euro aus eigener Tasche bezahlen. Die Zahlen schwanken je nach Bundesland stark. Gefallen sind die Sätze seitdem mit Sicherheit nicht. Dass Covid19 für eine Übersterblichkeit – gerade in der Seniorengeneration – gesorgt hat, ist ebenso bekannt. Und wir wissen auch, dass praktisch jedes Seniorenheim dringend nach neuen Pflegekräften fahndet.
Dieses abstrakte Wissen wird dann relevant, wenn wir selbst oder ein Angehöriger Pflege benötigen. Das Statistische Bundesamt meldet: Ende 2021 stehen 5 Millionen Pflegebedürftige im Wettbewerb um 15.400 ambulante Pflegedienste und 16.100 Pflegeheime. 2005 waren es erst gut 2 Millionen.
Um das Durchschnittsalter in Deutschland auf dem heutigen Stand stabil zu halten, bräuchten wir eine Zuwanderung von gut 800.000 Menschen. Jedes Jahr. Dies dürfte organisatorisch fast unmöglich sein. Und die gesellschaftliche Akzeptanz für eine solche Masseneinwanderung ist wohl auch bei Menschen, die gemeinhin nichts mit der AfD zu tun haben, kaum gegeben. Hinzu kommt, dass wir immer länger leben.
In Summe bedeutet das: die Zahl der Pflegebedürftigen in unserem Land geht weiter steil nach oben. Die Pflegequalität ist aber – vor allem wegen Personalmangels – schon jetzt an vielen Stellen kaum mehr vertretbar. Der Staat hat nicht das Geld, um im notwendigen Maße Heime zu errichten. Internationale Investoren, die schon jetzt den deutschen Krankenhausmarkt für sich entdeckt haben, werden „menschenwürdige Pflege“ nicht so weit oben in ihrer Zielkaskade haben wie return on investment. Das liegt in der Logik des Systems.

Und nun? Was kann man tun? Der Zyniker würde sagen: „Rechtzeitig zum selbst gewollten Lebensabschied in die Schweiz reisen“.

älterer mensch, unschlüssig

                   Was ist  die richtige Entscheidung?                                                  Bild von Alexa auf Pixabay

Nein, so schnell sollte man nicht aufgeben. Vielleicht werden wir uns doch in absehbarer Zeit mit den japanischen Pflegerobotern anfreunden? Oder wir hoffen auf innovative Ideen hierzulande. Fest steht: Volkswirtschaftlich betrachtet ist die Pflege im eigenen Zuhause günstiger als die in einem Heim. Auch ist es der Wunsch der allermeisten Senioren, die letzte Lebensphase in den eigenen vier Wänden zu verbringen.
Das heißt, dass die schon fast sprichwörtliche „Polin“ oder „Slowenin“ etc. die am wenigsten problematische Lösung sein könnte. Könnte, wenn der Markt der Vermittler nicht so intransparent wäre und man nicht oft das Gefühl hätte, an Abzocker zu geraten, denen die Vermittlungsgebühr weit wichtiger ist als Wohl und Wehe der Pflegebedürftigen und der Pflegekräfte. Das ist natürlich sehr pauschal. Aber man sollte sich wirklich so früh wie möglich schlau machen, mit welcher Organisation man zusammenarbeiten möchte und welche ethischen Gesichtspunkte dort wie glaubhaft vertreten werden.

Auch bei Seniorenheimen kann man natürlich Glück haben und einen freien Platz ergattern. Aber auch hier gilt – wie bei der Anmeldung für Kita-Plätze: Je früher, desto höher die Chance auf einen Platz in einer „guten“ (und bezahlbaren) Einrichtung. Was „gut“ bedeutet, sollte man sich im Vorfeld selbst bewusst machen. Zumindest als Handreichung kann eine in der FAZ veröffentlichte Qualitätsliste von Seniorenheimen hilfreich sein.

 

Gespräch mit einer Trauerrednerin, Teil 2

Gespräch mit einer Trauerrednerin, Teil 2

DG: Das ist schön, liebe Frau Arndt, dass Sie sich nochmals die Zeit nehmen konnten, mir ein paar weitergehende, eher pragmatische Fragen zu Ihrer Berufsausübung zu beantworten. Machen wir also gleich weiter:

Etwas hat das Zimmer nach draussen verlassen

Symbol für das Entschwinden eines geliebten Menschen

DG: Den zuständigen örtlichen Pastor kann ich ja schnell ermitteln. Wie aber kann ich mit Ihnen Kontakt aufnehmen?

UA: Die meisten Trauerredner/innen arbeiten selbstständig und sind mit ihren Websites im Internet leicht zu finden. Viele von uns kooperieren eng mit einigen Bestattern und werden über diese den Angehörigen empfohlen. Wer sich also noch nicht an ein Beerdigungsunternehmen gewandt hat, kann jederzeit eines anrufen, das ihm/ihr zusagt und vertrauenswürdig erscheint, und dieses um eine Empfehlung bitten. Wichtig ist das Gefühl, dass die Chemie stimmt. Wenn das nicht der Fall ist, unbedingt die Dienstleisterin, also mich oder das Institut, wechseln, auch wenn der Kontakt schon fortgeschritten sein sollte. Niemandem ist geholfen, in dieser sehr wichtigen Lebens- und Übergangssituation nur etwas aushalten zu müssen und sich nicht gut versorgt zu fühlen.

DG: Mit welchem Hauptanliegen wenden sich die Angehörigen an Sie?

UA: Sie möchten, dass die Individualität der/des Verstorbenen aufleuchtet und die Erinnerungen an gemeinsame Zeiten geweckt werden und diese sie im Moment des Zuhörens trösten. Sie fühlen, dass sie sich weiterhin verbunden fühlen und dies ein natürliches Bedürfnis ist, das sie sich nicht abschneiden müssen. Sie möchten lachen, traurig sein, den Abschiedsschmerz fühlen und sich in Gemeinschaft wissen. All diese Momente spreche ich in meiner Rede an, all diese Bedürfnisse haben Platz. Sie möchten nicht – wie bei vielen konservativen und konfessionellen Bestattungen – mit der Enttäuschung nach Hause gehen, dass von der einzigartigen, geliebten Person gar nicht die Rede war, und sie stattdessen nur mit Bibelpassagen oder nichtssagenden Biografieabrissen bedacht wurden. Unsere Elterngeneration noch fühlte sich zwar nicht gesehen und ernst genommen, traute sich aber nicht, dies zu kritisieren. Das ist heute anders.

DG: Was muss ich als Kunde tun, wenn ich Sie engagiere? Worauf muss ich gefasst sein?

UA: Meine Praxis ist genau anders herum als im kirchlichen Kontext. Ich mache keinerlei Vorgaben, sondern biete Ihnen Zeit und Raum, mir all Ihre Wünsche, Ängste und Vorstellungen, auch ganz neue Ideen, mitzuteilen. In unserem Gespräch können Sie sich einfach nur erinnern, und wer in der Lage ist, sammelt zuvor ein bisschen Material, das beim Schreiben hilfreich sein könnte. Aber das pure Erzählen reicht völlig. Die französische Rabbinerin Delphine Horvilleur hat das Treffen mit den Angehörigen und die gemeinsame Vorbereitung der Trauerfeier als „heilige Augenblicke“ beschrieben – und genauso empfinde ich es auch.

DG: Wie sehen Sie sich selbst im Gespräch mit Ihren Kunden um Trauer und Abschied?

UA: Ich verstehe mich als eine Membran für die Trauernden, die von all ihren Erinnerungen, ihrem Abschiedsschmerz und ihren Hoffnungen bewegt wird und diese anschließend der gesamten Gemeinde in der Trauerfeier selbst zurückgeben darf. Ich erfinde ja nichts, um den Trauernden Neues zu erzählen. Es ist eher ein Übersetzen dessen, was sie gesagt haben, sodass sie es anders hören können. Den Angehörigen kommt der eigene Bericht zu Ohren, aber über eine andere Stimme, meine Stimme. Manchmal lassen sich danach die Leben der Verstorbenen in einem ganz anderen Licht betrachten, werden plötzlich verständlicher.

DG: Für die Begleitung durch einen Pastor bezahlte die Verstorbene ihre Kirchensteuer. Wieviel muss ich für eine Trauerrednerin einkalkulieren?

UA: Von Kolleginnen und aus dem Internet weiß ich, dass die Trauerrede zwischen 190 und 650 Euro netto betragen kann. Die Unterschiede ergeben sich durch die Region, in der Sie tätig sind, durch die Zusammenarbeit mit den Bestattungsinstituten und durch die Qualität beziehungsweise das jeweilige Alleinstellungsmerkmal der Rednerin.Meine Arbeitsweise und meine Ansprüche an die Textqualität sowie meine Aufgabe als Trauerbegleiterin (der ersten Schritte auf dem Trauerweg der Angehörigen) unterscheiden sich von denen der Kolleginnen. So ergibt sich ein anderer Zeitaufwand als der dort publizierte von einer Handvoll Stunden pro Auftrag. Was bedeutet, dass ich im Durchschnitt eher drei bis vier Handvoll Stunden für die Angehörigen und die Rede aufbringe.

DG: Wann sind Sie erreichbar, und wieviel Vorlauf brauchen Sie für Ihre Reden?

UA: Wie wir leider wissen: Der Tod hält sich nicht an Pläne und kennt keine Sonntage. Also sind wir fast durchgehend erreichbar, besonders wenn sich Menschen in Not und hilflos fühlen. Erste Informationen und Beruhigen stehen dann an erster Stelle. Ich möchte das Gefühl vermitteln: Von nun an ist da jemand, der mich zuversichtlich und vertrauenswürdig auf diesem neuen Weg begleitet und beschützt. Jemand, dem ich meine Familiengeschichte für diesen Moment in die Hände legen darf.

DG: Herzlichen Dank für das Gespräch!

Ute Arndt I Trauerreden und Trauerbegleitung I www.ute-arndt.de

Im Gespräch mit einer Trauerrednerin – Der Blick auf die letzte Zeremonie

Im Gespräch mit einer Trauerrednerin – Der Blick auf die letzte Zeremonie

Mit zunehmendem Alter ergibt sich bei den meisten Menschen auch eine mentale Einstellungsänderung bezüglich des eigenen Endes: das abstrakte Wissen, dass jede/r irgendwann stirbt, wird zur sicheren Erkenntnis, dass die verbleibenden Jahre immer weniger werden. Dies manchmal aufkommende Gefühl wird jedoch zumeist mit erhöhter Verdrängungsenergie zum Schweigen gebracht. Die bewusste Beschäftigung mit dem eigenen Tod findet in unserem Kulturkreis nur selten einen wirklichen Platz. Das Testament und dergleichen bilden einen Teil der möglichen Vorbereitung auf das eigene Ende. Die Pfarrer/innen der christlichen Gemeinschaften übernahmen seit Jahrhunderten zuallermeist den Part der letzten Worte zu den Verstorbenen. Aber nicht erst seit den Massenaustritten aus den Kirchen treten vermehrt nicht konfessionsgebundene Trauerredner/innen an ihre Stelle. Um einmal zu klären, was in ihrer Arbeit den Unterschied zu den Beerdigungen im kirchlichen Kontext ausmacht, habe ich ein Gespräch mit der Trauerrednerin Ute Arndt geführt.

Portrait Ute Arndt

Trauerrednerin Ute Arndt

DG.: Liebe Frau Arndt, warum entscheiden sich Menschen, Sie als weltliche Trauerrednerin zu engagieren – und nicht wie gewohnt eine Pastorin/einen Pastor?
UA: Auch die Angehörigen, die keiner (christlichen) Glaubensgemeinschaft angehören, möchten ihre Verstorbenen mit einer Trauerfeier verabschieden, in der sie mit Reden, Musik und Ritualen in einem würdigen Rahmen Abschied nehmen können. Ich als Rednerin darf aus dem Leben ihrer Lieben erzählen, mit Geschichten und Anekdoten die Lebensmelodie des/der Toten noch einmal erklingen lassen, eingebettet in Musik, Lyrik und weitere Beiträge der Angehörigen selbst.
Als Trauerrednerin moderiere ich die Feier und gestalte die gewünschten Rituale, die Momente der Trauer und der Erinnerung, die Beisetzung in der Erde, aber ebenso den Ausblick auf das Leben, das weitergeht. Auch die Aussegnung gehört zu meinen Aufgaben, wenn gewünscht. Sie kommt im Prinzip in all meinen Reden vor, denn wir alle haben das Bedürfnis, den Toten unseren Segen für ihre Reise ins Jenseits mitzugeben.

DG: Aber wer sich christliche Abschiede wünscht, ist doch von dem entsprechenden Pastor abhängig und muss sich den gegebenen Bräuchen anpassen, oder nicht?
UA: Auch die Pastorin/der Pastor führt vor der Feier ein Gespräch mit den Angehörigen, um etwas aus dem Leben der Verstorbenen zu erfahren. Ihre Gespräche dauern aber nicht so lange und sind weniger intensiv als meine Besuche bei den Angehörigen, was verständlich ist, denn deren Aufgaben sind vielfältig und deren Arbeitszeit ist nicht unendlich.
Meine Empfehlung: Engagieren Sie beide. Die Pastorinnen für die christlichen zeremoniellen Passagen, für die spirituelle Begleitung und das Aufgehobensein im Glauben, und mich als Trauerrednerin, die aus dem Leben der Toten, aber auch von der Liebe und den Beziehungen zu ihnen erzählt. So bereite ich ihnen ein sozusagen zweites Aufgehobensein in der gemeinsamen Erinnerung und dem nun stattfindenden Abschied. Trauerfeiern „im Duo“ bleiben unvergessen und in sehr guter Erinnerung, so meine Erfahrung.

DG: Kommen zu Ihnen nur Jüngere, die schon konfessionslos aufgewachsen sind?
UA: Nein, eher das Gegenteil. Zu meinen Kolleginnen, den sogenannten modernen oder alternativen Bestattungsinstituten, und uns Trauerrednerinnen kommen Menschen mit Lebenserfahrung – also in einem gewissen Alter –, die sehr bewusst ihre Trauer und ihre Beziehungen zu den Toten reflektieren. Menschen, die selbstfürsorglich handeln und wissen, dass das Zelebrieren von Lebensübergängen wichtig ist.
Es können aber auch junge Familien sein, die viel seelischen Beistand brauchen, wenn zum Beispiel der Ehemann oder eines der Kinder gestorben ist. Insofern stehe ich als Rednerin den Angehörigen auch auf ihren ersten Schritten des Trauerwegs zur Seite.
Alle Familien möchten einen würde- und liebevollen Abschied für ihre Toten und für die Lebenden, die Trauergemeinschaft. Sie wünschen sich, dass sie diesen Abschied als „schöne Trauerfeier“ erinnern werden, solange sie auf der Welt sind. Ein erster klitzekleiner Trost. Und sehr oft fällt genau dieser Begriff, wenn sie am Grab stehen, die Feier zu Ende ist und sie sich nicht trennen können.

DG: Frau Arndt, wie schaffen Sie es als Außenstehende über eine unbekannte Person so zu schreiben, dass die Zuhörer zufrieden sind?
UA: In dem Gespräch mit den Angehörigen, das mindestens drei Stunden (oder länger) dauert, sammele ich viele Geschichten aus dem Leben der Verstorbenen, und zwar so lange, bis ich eine innere Verbindung spüre. Nicht nur die Glücks- und Erfolgsstorys, auch Schwieriges, Konflikte und wackelige Beziehungen werden thematisiert – zum Glück, denn Menschen sind keine Heiligen. Die Geschichten, die ich in der Rede wiedergebe, vereinen das Gewesene, holen es in die Gegenwart und bauen eine Brücke in die Zukunft. Sie stärken das Band zwischen den Toten und den Lebenden. Sie beherbergen viele konkrete, sinnliche, emotionale Momente – und wecken oft die Sehnsucht nach: „Erzähl mir mehr …“ Im besten Fall gehen die Trauernden mit dem Gefühl nach Hause, es hat dort vorn eine enge Freundin mitgelitten, mitgeweint und mitgelacht – eine Person, die den verlorenen Menschen verstanden hat.

DG: Wenn ich eine Traueranzeige aufgebe, bekomme ich vor Veröffentlichung noch einen letzten Entwurf zur Freigabe. Wann geben Sie Ihre Trauerrede zur Freigabe an die Angehörigen?
UA: Gar nicht. 95 Prozent der Angehörigen schenken mir ihr Vertrauen und erleben die Rede auf der Feier, vorher nehmen sie sie nicht zur Kenntnis. Manchmal aber telefoniere ich mehrmals während des Schreibens und verifiziere Daten, Bezeichnungen, Namen und Abläufe von Ereignissen, wenn ich sie in der Rede aufgreife und Irritationen vermeiden möchte. Auf Wunsch bekommt aber jeder die Rede vorab zu lesen – und alle Veränderungswünsche werden erfüllt. Erinnerungen sind unser Besitz, und so gehört die Rede in meinem Selbstverständnis den Angehörigen.

DG: Sieht jetzt eine Trauerfeier mit Ihnen anders aus als eine konventionelle, von den Kirchen organisierte Beerdigung?
UA: Als soziale Wesen brauchen wir gerade in Übergangszeiten Rituale, mit denen die Seele einen Moment innehalten kann, das Vertrauen in das Leben nicht verliert; in denen all das nicht zu Sagende sich in einer symbolischen Handlung materialisiert. In wirklich gelebten Ritualen fühle ich mich mit dem Leben und der Gemeinschaft verbunden. In konfessionellen Trauerfeiern empfinden die Trauernden manches Mal die überlieferten Rituale als entleert, sie nicht repräsentierend. Wenn sie aber eingebettet sind in das persönliche Erleben aller Beteiligten, der Toten und der Trauernden, dann ermöglichen sie Transformation, das Integrieren der Verlusterfahrung und das kollektive Erleben. So sind auch die „neuen“ Trauerfeiern ein Ort, an dem ich gern Rituale einbinde wie das Kerzenritual, Beten, Mantrensingen, wie die Aussegnung, den Erdwurf, den Reisesegen – und alles andere, was gewünscht wird.

DG: Schönen Dank, liebe Frau Arndt, für Ihre Zeit. Wir werden das Gespräch gelegentlich weiterführen.
UA: Gerne.

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Wenn Sie selbst das Gespräch für sich weiterführen möchten:
Ute Arndt – Trauerreden und Trauerbegleitung
www.ute-arndt.de
mail@ute-arndt.de
Tel. 0173 255 355 1

Ute Arndt engagiert sich zusammen mit der Urnen-Künstlerin Ina Hattebier (www.andere-urnen.de) im Netzwerk Trauerkultur. Mit Workshops, Diskussionen und Death Cafés möchte es Mut machen, sich mit den Themen Sterben, Tod und Trauer zu beschäftigen und sich mit anderen darüber auszutauschen.
www.netzwerk-trauerkultur.de

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