Freude am Alter statt Flucht vor dem Alter

Freude am Alter statt Flucht vor dem Alter

Was Seneca uns zum Altern zu sagen hat.

Ein Großteil der aktuellen Diskussion um das Älterwerden beschäftigt sich mit dem Hinauszögern von Hinfälligkeit und Tod. Lebensverängerung ist gefragt. Lustigkeit wie in den frühen Jahren gilt als ein zentraler Beschäftigungswunsch für die späten Jahre. Da ja nun jeder (zumindest in einigen Gebieten) seines Alters Schmied ist, könnte Senecas gänzlich andere Auffassung über den letzten Lebensabschnitt für „Abweichler“ von der gängigen Wir-wollen-immer-hübsch-und-jung-bleiben-Haltung anregend sein.

 

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Seneca im Halbportrait (Antikensammlung Berlin)

So schreibt er in seinem 12. Brief an seinen jüngeren Freund Lucilius:

„Jedes Vergnügen hebt seine größten Freuden bis zum Schluss auf. Die Zeit des Lebens, die das größte Vergnügen bietet, ist das Alter, in dem die Abwärtsbewegung – nicht der steile Abstieg – bereits begonnen hat; und meiner Meinung nach hat auch das Alter, das an der Schwelle des Todes steht, seine eigenen Freuden – oder die Tatsache, sich nicht mehr nach irgendwelchen Vergnügungen zu sehnen, tritt an deren Stelle. Wie schön ist es, wenn man seine Begierden überwunden und hinter sich gelassen hat!“

Diese Zeilen finden sich auf S. 71 in in dem Buch Seneca – Briefe an Lucilius, erschienen im Finanzbuchverlag München 2023

Alter, Arbeitsmarkt und Selbstständigkeit – Das Gründungszentrums 50+ entwickelt sich

Alter, Arbeitsmarkt und Selbstständigkeit – Das Gründungszentrums 50+ entwickelt sich

Im Jahr 2022 war hier von den Anfängen des Gründungszentrums 50+ zu lesen. Zwei Jahre sind ein guter Zeitraum, um einen neuen Blick darauf zu werfen. Dafür habe ich mit der „Erfinderin“ der Hilfeplattform für Ältere mit Selbstständigkeitsambitionen, Yani Neugebauer, gesprochen.

Das Gründungszentrum startete mit 20 enthusiastischen Neu-Selbstständigen. Mittlerweile haben sich mehr als 300 Personen dem Netzwerk angeschlossen. Was ist ihre Motivation? In großer Mehrheit sind es Expertinnen und Experten, die ihr offizielles Arbeitsleben abgeschlossen haben oder selbiges frühzeitig beendet haben. Menschen, die viel Erfahrung, Wissen und Energie haben, aber diese Ressourcen nicht weiter als Angestellte einsetzen möchten. „Endlich mal mein Ding machen“ könnte die stillschweigende Parole der meisten lauten. Im GZ 50+ finden Sie das, was sie in dieser Situation brauchen: Anleitung zum Selbstmarketing, Hinweise zur die Marktnachfrage nach ihrer spezifische Qualifikationen und schließlich – sehr wichtig – : ein Netzwerk von Menschen, die sich in einer ähnlichen Aufbruchssituation befinden.

Trotz vieler offener Stellen tun sich die Personalverantwortlichen oft schwer, Bewerbung von Menschen über 55 ernsthaft in Erwägung zu ziehen. „Zu teuer“, „zu unbeweglich“ heißt es dann oft. Sie werden ihre Einstellung ändern müssen, da die demographische Entwicklung der nächsten Jahre (mit dem fortschreitenden Renteneintritt der Baby-Boomer) den Personalmangel am Arbeitsmarkt dramatisch steigern wird. Von dieser Mangelsituation sind vor allem kleine und mittlere Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern betroffen. Sie besitzen weniger Ressourcen, um werblich auf dem Arbeitsmarkt von sich hören zu lassen, und haben ihren Sitz oft außerhalb der großstädtischen Speckgürtel. Bei dünner Personaldecke hat der durch Krankheit oder andere Ursachen bedingte Ausfall von einzelnen Experten oft verheerende Folgen. Die Unternehmen suchen verzweifelt nach Interimsverantwortlichen.  Nach Experten, um ein Projekt zu realisieren oder um den Know-How-Transfer für die nachrückende Generation sicherzustellen.

Tielseite des Gründungszentrums 50+

G 50+ – bunter als man denkt

Ein Blick auf die Statistik als Hintergrund: Die Zahl der Beschäftigten in Deutschland über 55 Jahre ist von 2013 bis 2020 von 4,8 auf 7,3 Millionen gestiegen. Die demographische Dynamik wird diese Zahl bis 2030 über die 10- Millionen-Schwelle heben. Dagegen wird das Segment der jüngeren Arbeitsfähigen zwischen 20 und 54 Jahren kontinuierlich abnehmen – wenn nicht unwahrscheinliche Dinge geschehen, die sich der heutigen Vorhersehbarkeit entziehen. Das scheint in vielen Personalabteilungen noch nicht genügend verstanden worden zu sein. Aber das Gründerzentrum 50+ kann auch ihnen schon heute helfen: Wenn Unternehmen Stress haben (s.o.), reicht ein Griff zum Telefon. Innerhalb kurzer Zeit werden ihnen bei G50+ die passenden Personenen aus dem Expertenpool vorgestellt. Das kann bei kleinen Unternehmen, die ja händeringend suchen, schon mal Glücksgefühle auslösen.

Die genannte Entwicklung spielt dem Gründungszentrum 50+ sicherlich in die Hände. Darüber hinaus wird die Altersentwicklung Deutschlands dafür sorgen, dass die gesellschaftliche Bedeutung der Institution zunimmt. Für viele Ältere, die es „gerne noch mal wissen wollen“, stellt das Gründungszentrum bereits heute eine große Neustart-Chance da. Das gleiche gilt für viele kleine Unternehmen, die sich mit dem Füllen von Know-How-Lücken immer schwerer tun.

Eigentlich fühlen Sie sich fit und haben noch keine Lust auf den Töpferkurs in der Toskana? Dann werfen Sie doch einen Blick auf die Seiten des Gründungszentrums 50+.

 

Pflege, quo vadis?

Pflege, quo vadis?

Dass die Situation der Pflegeeinrichtungen in Deutschland zwischen problematisch und dramatisch zu verorten ist, ist nichts Neues. Anfang 2020 musste ein Pflegebedürftiger für einen Platz im Heim im Schnitt (nach Angaben des Verbandes der Ersatzkassen) pro Monat 1.940 Euro aus eigener Tasche bezahlen. Die Zahlen schwanken je nach Bundesland stark. Gefallen sind die Sätze seitdem mit Sicherheit nicht. Dass Covid19 für eine Übersterblichkeit – gerade in der Seniorengeneration – gesorgt hat, ist ebenso bekannt. Und wir wissen auch, dass praktisch jedes Seniorenheim dringend nach neuen Pflegekräften fahndet.
Dieses abstrakte Wissen wird dann relevant, wenn wir selbst oder ein Angehöriger Pflege benötigen. Das Statistische Bundesamt meldet: Ende 2021 stehen 5 Millionen Pflegebedürftige im Wettbewerb um 15.400 ambulante Pflegedienste und 16.100 Pflegeheime. 2005 waren es erst gut 2 Millionen.
Um das Durchschnittsalter in Deutschland auf dem heutigen Stand stabil zu halten, bräuchten wir eine Zuwanderung von gut 800.000 Menschen. Jedes Jahr. Dies dürfte organisatorisch fast unmöglich sein. Und die gesellschaftliche Akzeptanz für eine solche Masseneinwanderung ist wohl auch bei Menschen, die gemeinhin nichts mit der AfD zu tun haben, kaum gegeben. Hinzu kommt, dass wir immer länger leben.
In Summe bedeutet das: die Zahl der Pflegebedürftigen in unserem Land geht weiter steil nach oben. Die Pflegequalität ist aber – vor allem wegen Personalmangels – schon jetzt an vielen Stellen kaum mehr vertretbar. Der Staat hat nicht das Geld, um im notwendigen Maße Heime zu errichten. Internationale Investoren, die schon jetzt den deutschen Krankenhausmarkt für sich entdeckt haben, werden „menschenwürdige Pflege“ nicht so weit oben in ihrer Zielkaskade haben wie return on investment. Das liegt in der Logik des Systems.

Und nun? Was kann man tun? Der Zyniker würde sagen: „Rechtzeitig zum selbst gewollten Lebensabschied in die Schweiz reisen“.

älterer mensch, unschlüssig

                   Was ist  die richtige Entscheidung?                                                  Bild von Alexa auf Pixabay

Nein, so schnell sollte man nicht aufgeben. Vielleicht werden wir uns doch in absehbarer Zeit mit den japanischen Pflegerobotern anfreunden? Oder wir hoffen auf innovative Ideen hierzulande. Fest steht: Volkswirtschaftlich betrachtet ist die Pflege im eigenen Zuhause günstiger als die in einem Heim. Auch ist es der Wunsch der allermeisten Senioren, die letzte Lebensphase in den eigenen vier Wänden zu verbringen.
Das heißt, dass die schon fast sprichwörtliche „Polin“ oder „Slowenin“ etc. die am wenigsten problematische Lösung sein könnte. Könnte, wenn der Markt der Vermittler nicht so intransparent wäre und man nicht oft das Gefühl hätte, an Abzocker zu geraten, denen die Vermittlungsgebühr weit wichtiger ist als Wohl und Wehe der Pflegebedürftigen und der Pflegekräfte. Das ist natürlich sehr pauschal. Aber man sollte sich wirklich so früh wie möglich schlau machen, mit welcher Organisation man zusammenarbeiten möchte und welche ethischen Gesichtspunkte dort wie glaubhaft vertreten werden.

Auch bei Seniorenheimen kann man natürlich Glück haben und einen freien Platz ergattern. Aber auch hier gilt – wie bei der Anmeldung für Kita-Plätze: Je früher, desto höher die Chance auf einen Platz in einer „guten“ (und bezahlbaren) Einrichtung. Was „gut“ bedeutet, sollte man sich im Vorfeld selbst bewusst machen. Zumindest als Handreichung kann eine in der FAZ veröffentlichte Qualitätsliste von Seniorenheimen hilfreich sein.

 

Schluss mit lustig; ich mach´s jetzt selber!

Schluss mit lustig; ich mach´s jetzt selber!

Nach 25, 30 Berufsjahren packt so manchen die Frage: „Das soll´s jetzt gewesen sein?“ Denn nicht alle Berufe füllen einen aus. Nicht alle Unternehmenskulturen sind so gestrickt, dass man morgens gerne den Weg in die Firma, die Fabrik, das Büro antritt. Frührente? Nicht nur angesichts der augenblicklichen Inflation für die meisten eine No-Go-Area. Also nochmals 10,15 Jahre innere Emigration oder Stellenwechsel? Man kennt die Branche und weiß oft gut genug, dass bei der direkten Konkurrenz der Rasen auch nicht grüner gedeiht. Der notwendige Mut zum großen Neustart in einer anderen Branche ist vielen nicht gegeben. Sollte es dennoch bis zur Bewerbung reichen, wird man mit 50+ oft darauf hingewiesen, dass man ja aus einer anderen Branche käme und (das folgt dann eher zwischen den Zeilen) man ausserdem in dem Alter ja nicht mehr lernfähig und flexibel genug wäre. Die netten Hochglanzflyer aus den Personalabteilungen sind das eine. In ihnen wird Wert und Würde der alternden Workforce über den grünen Klee gelobt. Geht ja auch angesichts unserer demographischen Entwicklung kaum anders. Aber wenn der Zugriff auf junge Bewerberinnen und Bewerber möglich ist, landen die Flyer schnell im Aktenschrank.

Letzte Ausfahrt Selbstständigkeit?

„Ja eigentlich habe ich ja genug Markterfahrung, um es auch allein zu versuchen.“ So oder ähnlich mag die Kopfgeburt des Selbstständigmachens beginnen. Aber dann wird deutlich: es gibt keine Assistenz, keine Kollegen, keine Justiziarin, keine Einkaufsabteilung, kein Marketing, kein Vertrieb etc. Also alles macht man selbst und ständig! Nach diesem Gedankengang sehen viele nur noch das STOP-Schild vor dem Abbiegen auf diesen alternativen Berufsweg. Na klar, es gibt Existenzgründungshilfe vom Job-Center. Das mag für den Start reichen, aber nach kurzer Zeit befinde ich mich völlig solo im resonanzfreien Raum meiner Selbstständigkeit. Das kann so nicht funktionieren.

Nun scheint es eine ernsthafte Alternative, nein: Unterstützung für das Abbiegen in die Selbstständigkeit zu geben. Das Gründungszentrum 50plus baut auf eine wachsende Community Gleichgesinnter, mit deren Unterstützung der Weg dann doch gangbar sein könnte. Eben weil er nicht allein im resonanzfreien Raum passieren muss.

Nach dem Beitritt, der in verschiedenen (finanziellen) Schritten möglich ist, erhält man Zugang zu Sparringspartnern, Geschäftsideen, kollegialem Austausch oder Kooperationspartnern mit einem ähnlichen Mindset. Ob das alles so toll ist, muss man natürlich ausprobieren. Aber von der Grundidee her gibt es in diesem Gründungszentrum genau all das, dessen Fehlen viele vom Selbstständigmachen abgehalten hat. Ich meine, wer diesen kleinen Risikoschritt nicht zu gehen wagt, der sollte das Schnuppern an der kalten Luft der Selbstständigkeit tatsächlich lieber beenden. Das die benutzte Software  „denglischt“ („Sign in“, „Text me the app“ oder „Request to join“) ist wohl ein ärgerlicher Startfehler, aber davon sollte man sich nicht zurückhalten lassen.

Die Zahl der an Alzheimer Erkankten wird sich verdreifachen

Die Zahl der an Alzheimer Erkankten wird sich verdreifachen

Demenz und Alzheimer sind längst bekannte Alterserkrankungen. Eine Reihe von Ansätzen, wie man sie eingrenzen oder sogar stoppen kann, gibt es. Bislang hat aber keiner dieser Ansätze zu einem Durchbruch geführt. Daher ist es vernünftig, der Prävention besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Emma Nichols von der University of Washington geht von einem Wachstum der demenzverwandten Krankheiten von 57 Millionen 2019 auf 153 Millionen weltweit Erkrankte im Jahre 2050 aus. Also beinahe eine Verdreifachung. Allerdings fällt die Zunahme regional sehr unterschiedlich aus. Europa und die fortgeschrittenen Teile Amerikas und Asiens werden bedeutend niedrigere Steigerungsraten sehen als Afrika und der arabische Raum. Japan – jetzt schon überaltert – wird mit nur 27% die geringste Zunahme prognostiziert.

Denken fällt schwer

Alzheimerportrait von Rad Cyrus, unsplash: „Kommt der Gedanke noch?“

Warum diese Unterschiede? Demographische Entwicklungen, Aufklärungsarbeit und kulturelle Prägungen ergeben hier einen Begründungsstrang, der nicht einfach aufzulösen ist. Beispielsweise zeigen sich Deutschlands Gesundheitswächter momentan besonders sensibel für die Folgen von Alkohol. Die Gefahr für unser Leben wird mit immer detaillierteren Studien belegt. Alkohol wird bei uns auch gerne als Mitverursacher von Demenz und Alzheimer genannt. Alkohol – so kann man sagen – hat mittlerweile den Tabak als Hauptbösewicht abgelöst. Aber im arabischen Raum ist Alkohol aus religiösen Gründen verpönt. Dennoch werden hier die höchsten Wachstumsraten für Alzheimer und Co. angenommen. Alles-über-einen-Kamm-Scheren funktioniert also nicht. Daher konzentrieren sich die kulturübergreifenden Präventionsempfehlungen auf vier Kernfaktoren, deren begünstigender Einfluss auf die Entwicklung der „Vergessenskrankheiten“ unstrittig ist: Rauchen, Übergewicht, geringe Bildung und zu hoher Blutzuckerspiegel. Das sind sicherlich Hinweise, die der einzelne ernstnehmen oder – bei günstigen Voraussetzungen – auch umsetzen kann. Selbstverantwortung schön und gut. Aber der Staat darf sich auch nicht wegducken. So zitiert das Wissenschaftsmagazin scinexx das US-amerikanische Fachblatt The Lancet mit den Worten: „Vor allem Länder mit geringem und mittlerem Einkommen sollten nationale Programme initiieren, um ihrer Bevölkerung Bildung und eine gesunde Lebensweise zu ermöglichen und nahezubringen“, sagt Coautor Theo Vos von der University of Washington. „So ist es wichtig, strukturelle Ungleichheiten beim Zugang zu Gesundheits- und Sozialversorgung anzugehen, vor allem angesichts einer immer älter werdenden Bevölkerung.“ (The Lancet Public Health, 2022; doi: 10.1016/S2468-2667(21)00249-8)

Altern und Robotik

Corona hat viele, viele Nachteile für unser aller Leben, aber es gibt – wenn man genau hinschaut – auch ein paar Lichtpunkte: so hat man heutzutage die Chance, interessante Konferenzen und Begegnungen in Echtzeit mitzuverfolgen. Früher hätte man hinreisen müssen oder sich mit einem – wenn überhaupt erstellten – späteren Videoprotokoll zufriedengeben müssen. Die Körberstiftung zeigt morgen abend (4.11., 19.00 Uhr) im Livestream eine Diskussion rund um das Thema Altern und Robotik. Sami Haddadi, ein Pionier auf dem Feld der Robotik erprobt im innovativen Geriatronik-Zentrum der Technischen Universität München in Garmisch-Partenkirchen, was Robotik und Künstliche Intelligenz für gutes und selbstbestimmtes Leben im Alter schon heute leisten und morgen leisten könnten. Hier kann man sich einwählen.

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