Frührentenbegeisterung

Frührentenbegeisterung

In den letzten Wochen war auf vielen Kanälen zu sehen, hören und lesen, dass die Babyboomer weitflächig den frühen Ausstieg aus dem Arbeitsleben suchen. Verschiedene Modelle des Ausstiegs sind je nach Arbeitgeberinteresse und Eigenbereitschaft zu kompensatorischen Vorauszahlungen möglich. Aber das Detail spielt hier keine Rolle. Wie kann es sein, dass eine Generation, die es so gesund und sorgenfrei wohl noch nie in diesem Land gegeben hat, sich lemmingshaft um Frühverrentung bemüht? Fake news? In diesen Zeiten muss auch diese Frage erlaubt sein. Ich habe jedenfalls nirgends genauere Zahlen nachlesen können. Aber nehmen wir an, es stimmt. So fallen mir zwei Erklärungsmuster btw. Trigger ein: Weg vom Job und rein ins Rentenvergnügen. Bei Möglichkeit eins lässt sich fragen, ob die Fluchtwilligen den falschen Job gewählt haben, ob die Arbeitgeber es an Sensibilität im Umgang mit älteren MitarbeiterInnen fehlen lassen oder ob die aktuelle Debatte um KI und Roboter so verstörend wirkt, dass man sich so schnell es geht von Bord des Arbeitsschiffes Deutschland machen will?

Neonschild mit der Botschaft "Escape"

Image by Sarah Lötscher from Pixabay

Alternativ lockt die schöne, neue Rentenwelt. Und dies verlockender als all die vermeintlich gut passenden Jobs: die vorangegangenen Generationen sowie auch die folgenden blicken neidvoll auf die finanziellen Möglichkeiten der Babyboomer-Generation. Sicher gibt es Ausnahmen, aber im statistischen Mittel verfügt diese Generation über eine einzigartige Finanzausstattung. Sind es nun die Reisen, das Ferienhaus im Süden oder in Schweden? Die Lust am Coachpotato-Dasein wird jedenfalls kaum hörbar als Grund für die neue Rentenseligkeit genannt. Von der Bereitschaft, sich in der Gesellschaft zu engagieren ist auch immer wieder dieRede. Aber muss man dafür gleich verfrüht in Rente gehen? „Sich selbst so eigentümlich fremd“ lautet eine lyrische Zeile. Ich bin jedenfalls gespannt, was Demoskopen und Soziologen dereinst über die Motivation der Babyboomer, sich so früh wie möglich aus dem Arbeitsleben zu verabschieden, veröffentlichen werden. Vielleicht aber grätscht die Politik im Interesse der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (bezahlbare Rente für die Jüngeren) noch in die bekundeten Pläne hinein?

Reichtum und Lebenserwartung entwickeln sich parallel?

Vor einiger Zeit wurden in Deutschland Zahlen mit durchschnittlicher Lebenserwartung diskutiert. Die reiche Gemeinde Starnberg führte die durchschnittliche Langlebigkeitsliste an. Und es war ein kleinerer Ort in NRW, der die geringste durchschnittliche Lebenserwartung aufzuweisen hatte. Erwartungsgemäß lag dort auch das Wohlstandniveau unter dem Bundesdurchschnitt. Diese Daten sind natürlich ein Geschenk für die Verkünder einfacher Wahrheiten: arm stirbt man früher, reich lebt sich´s länger. Aber wie so oft ist die Wahrheit komplexer. Der Economist zeigt anhand des Beispiels USA, dass diese simple Gleichung nicht stimmt. Egal, was wir von Clinton oder Trump halten, dass Amerika ein reiches Land ist, wird niemand bestreiten. Genau so wenig steht in Frage, dass die USA eines der teuersten Gesundheitssysteme der Welt haben. Und dennoch: mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 67 Jahren für Männer und 70 Jahren für Frauen sind sie die Nation mit den niedrigsten Werten aller Erstweltländer. Viel Geld allein sorgt noch lange nicht für hohe Lebenserwartung. Das Leben zeigt sich wieder einmal komplizierter. Die Forschung darf weitergehen.

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