Altern ist ein Verfallsprozess. Vielleicht traurig, aber wahr.

Altern ist ein Verfallsprozess. Vielleicht traurig, aber wahr.

Die körperliche Leistungsfähigkeit schwindet ebenso wie die geistige. Dass der körperliche Verfall durch geeignete Mittel wie Bewegung und bewusste Ernährung erheblich gestreckt werden kann, ist hier in unterschiedlichen Varianten schon oft Thema gewesen. Zum Abschmelzen der Gehirnfähigkeiten gab es aber hier bislang weniger Informationen.

Tatsächlich verringert sich die graue Hirnsubstanz mit zunehmendem Alter. Beim einen schneller, beim anderen langsamer. Dies wurde in Einzeluntersuchungen immer wieder nachgewiesen. Nun ist aber in dem Online-Magazin Medscape Neues zu lesen: Eine Forschergruppe des Alzheimer-Zentrums der Königin-Sofia-Stiftung in Madrid arbeitete (wohl erstmals) an einer systematischen Vergleichsstudie. Das Forscherteam um Marta Garo-Pascual kommt zu dem Schluss, dass neben den genetischen Anlagen Beweglichkeit und psychische Gesundheit die entscheidenden Unterscheidungsmerkmale zwischen der Kontrollgruppe und der beforschten Gruppe der Superdenker (dämlicher Weise „Superager“ genannt) darstellen.

Die Teilnehmer beider Gruppen waren 80 Jahre und älter. Die – in meiner Lesart – Superdenker schnitten bei einem Gedächtnistest mindestens ebenso gut ab wie 30 Jahre jüngere Menschen gleichen Bildungsstands. Die Kontrollgruppe wartete dagegen mit durchschnittlichen Leistungen für ihr Alter und ihren Bildungsstand auf. Die Untersuchung erstreckte sich über sechs Jahre.

MRT-Untersuchungen bestätigten: Bei den Superagern war die graue Hirnsubstanz in Regionen, die für das Gedächtnis verantwortlich sind, weniger atrophiert als bei der Vergleichsgruppe. Auch nahm das Volumen der grauen Hirnsubstanz in diesen Regionen bei den Superdenkern langsamer ab als bei den „Normalos“.

Zwei schematische Köpfe; einer mit aufsteigenden Fragezeichen, der andere mit aufsteigenden Leuchten

Noch immer rätselbehaftet: unser Gehirn.         (Bild von nugroho dwi hartawan auf Pixabay)

Die Frage für die Forscher war nun: „Warum ist das so?“

Von 89 verschiedenen demografischen, Lebensstil- oder klinischen Faktoren, die in den Algorithmus der Untersuchung einflossen, waren es zwei, die für die Klassifikation am wichtigsten waren: die Bewegungsfähigkeit und die psychische Gesundheit.

Auch diese Studie belegt – wir wissen es bereits – dass körperliche Aktivität sehr wichtig für die kognitive Funktion ist. „Diese Menschen waren über 80 Jahre alt – dass sie sich hinsichtlich des Aktivitätslevels nicht unterschieden, ist nicht verwunderlich. Die Frage ist vielmehr, wie man dort hinkommt, sprich: wie aktiv man im Alter von 40, 50 und 60 Jahren ist“, betont Prof. Dr. Alessandro Cellerino vom Leibniz-Institut für Alternsforschung.

Auch bei Tests der psychischen Gesundheit schnitten die Superdenker besser ab als die Kontrollgruppe: Sie klagten deutlich seltener über Depressionen und Angststörungen. Aktivität ist also im gesamten Lebensverlauf wichtig! Auch Treppensteigen und Spazierengehen ist viel besser als das Sofa zu wärmen.

Beide Gruppen unterschieden sich nicht in Bezug auf das Vorkommen von genetischen Risikofaktoren für Alzheimer. Aber bezüglich der normalen Degeneration, die durch Biomarker angezeigt wird, zeigten die Superdenker niedrigere Werte. Die Warum-Frage ist nicht endgültig gelöst, aber die Hinweise deuten darauf hin, dass bekannte positive Verhaltensmuster auch hier ihre abmildernde Wirkung zeigen. Allerdings bleibt offen, was darüber hinaus noch relevante Faktoren sein könnten. In jedem Fall spielen wohl genetische Unterschiede eine Rolle. Wie groß diese ist, bleibt noch zu erforschen.

„Die Untersuchung bestätigt aber – so Cellerino -, dass die physische und psychische Funktion eng miteinander verbunden sind und dass wir beide erhalten müssen, um gesund zu altern“.

Einmal mehr haben wir die Chance, selbst etwas für uns zu tun…

…aber ich fühle mich deutlich jünger

…aber ich fühle mich deutlich jünger

Kennen Sie das Phänomen? Sie fragen jemanden nach seinem Alter und bekommen eine doppelte Antwort: Zum einen das tatsächliche Alter, zum anderen einen Hinweis darauf, dass sich die oder der Befragte eigentlich jünger fühlt. Der Pass zeigt nur die halbe Wahrheit.

Bezogen auf die Außenperspektive ist dies ein alter Hut: man denke an ein Klassentreffen 25, 40 oder 50 Jahre nach dem Schulabschluss. Ein Drittel der Gesichter erscheint einem deutlich älter als man selbst. Und einige scheinen „irgendwie stehengeblieben zu sein“: sie wirken einfach jünger als sie sollten. Hier sehen wir die unterschiedliche Alterungsgeschwindigkeit von außen.

Die Zeitung Spektrum berichtet von einer Untersuchung, die das Phänomen der subjektiven – also inneren – Differenz von gefühltem und realem Alter analysiert hat.

Die Daten des Sozio-Oekonomischen Panels (SOEP) zeigen, dass die meisten Menschen sich für jünger halten als sie tatsächlich sind. Eine Forschergruppe der Berliner Humboldt-Universität ist der Frage nachgegangen, ob es sich hier um einen gleichbleibenden Trend handelt oder ob der Abstand zwischen realem und gefühltem Alter sich auch mit den Jahren verändert. Und weiter: gibt es auch generationsübergreifende Veränderungen? Die Frage nach dem subjektiven Alter wurde den Probanden zwischen 1996 und 2020 generationsübergreifend mehrfach gestellt. Und siehe da: Im Mittel fühlen sich die Befragten 11,5% jünger als sie es sind. Eine 50-jährige wird sich also eher für Anfang, Mitte 40 halten. Wobei die 11,5% einen Mittelwert darstellen. Von Jahrzehnt zu Jahrzehnt wächst die Differenz zwischen tatsächlichem und gefühltem Alter um 1,6%.

Was sagt der Spiegel?                                                                                    Foto von Milada Vigerova auf Unsplash

Dieser Wert steigt obendrein von Generation zu Generation. Das ist umso merkwürdiger, da das real erreichte Alter von einer Generation zur nächsten ja (zumindest statistisch) bereits angestiegen ist. Und nun fühlen sich die jungen Alten auch noch subjektiv jünger!

Interessant sind auch die Abweichungen: Frauen empfinden eine größere Differenz zwischen ihrem gefühlten und tatsächlichen Alter als Männer. Für Westdeutsche gilt der Trend stärker als für Ostdeutsche. Einsamkeit und chronische Krankheit verringern (wie ich finde sehr nachvollziehbar) den Unterschied.

Untersuchungen bestätigen, dass das subjektiv niedrigere Alter einen ernsthaften Hinweis auf Gesundheitsstand und Wohlbefinden gibt. Wer sich jünger fühlt, ist allermeist körperlich und geistig fitter als dies statistisch seinem Alter zugeschrieben wird.

Es lebe die Phantasie!

Altern – Vom Rätsel zum Forschungsgegenstand

Altern – Vom Rätsel zum Forschungsgegenstand

Laut dpa liegen jetzt die ersten Konzepte für ein neues Forschungszentrum der Helmholtz-Gemeinschaft für Alternsforschung vor.
In Mainz soll aus unterschiedlichen Ansätzen (Biochemie, Medizin und Psychologie) die letzte Lebensphase in den Blick genommen werden. Nach früheren Angaben des für das Projekt federführenden Bundesforschungsministeriums geht es darum, wie die bereits vorhandene vielfältige Expertise in diesem Bereich sinnvoll ergänzt werden kann.
In Mainz gibt es bereits ein Krebsforschungszentrum der Helmholtz-Gemeinschschaft und natürlich Biontech, dessen Hauptforschungsinteresse ebenfalls der Krebsbehandlung gilt. Diese Forschungsdichte wird für das Forschungsvorhaben sicherlich hilfreich sein.

Ampel mit Mainzelmännchen

Es geht voran in Mainz  –      Bild von Grrregorrr auf Pixabay

«Resilientes Altern ist wichtig für eine Gesellschaft, die immer komplexere Aufgaben zu lösen hat», sagte Klaus Lieb – Mainzer Resilienzforscher und Psychiater – im Gespräch mit dpa zur Bedeutung dieser Forschung. Manche Menschen hätten mit 85 oder 90 Jahren ähnliche kognitive Fähigkeiten wie junge Menschen. «Die Alten sind zwar insgesamt eher langsamer als Jüngere. Aber sie können dies ausgleichen, indem sie auf mehr Erfahrungswissen zurückgreifen. Sie sind komplexer verdrahtet.» Ein vielversprechender Forschungsansatz will erkunden, welche biochemischen Mechanismen es gibt, die resilientes Altern befördern.

Optimismus lohnt: Das Glas ist halbvoll!

Optimismus lohnt: Das Glas ist halbvoll!

Ein interessanter Effekt, der das Altern angenehmer und das Leben länger machen kann, taucht in den neueren Diskussionen immer häufiger auf: Optimismus. Also ein psychologischer Aspekt, der nichts mit den üblichen Thesen zu Essen, Trinken, Bewegen und Sozialisieren zu tun hat. So berichtet die Wissenschaftsseite des MDR über einen Forschungsbeitrag in dem renommierten Journal of the American Geriatrics Society. Ein optimistischer Blick auf das, was kommt, kann das Leben um 4,4 Jahre (oder 5,4 %) verlängern. Dass jemand, der sich durch seine letzten Jahre durchnörgelt, wahrscheinlich diese nicht gerade genießt, liegt auf der Hand. Umgekehrt wird jene/r, die/der das Glas für halbvoll erklärt, die Widrigkeiten, die das Alter nun einmal mit sich bringt, für unausweichlich halten. Eine Form von (vielleicht auch ironischem) Fatalismus dürfte die daraus resultierende Lebenshaltung sein. Und diese Freundlichkeit zu sich zahlt das Leben wohl bar zurück.

 

Lachende Emojis signalisieren Optimismus

Dreimal Lachen hilft                                                                                                                                                        – Photo by Tim Mossholder on Unsplash

 

Der genannte Artikel bezieht sich leider nur auf 158.861 Frauen, mit denen die Studie gearbeitet hat. Aber bei allen Unterschieden zwischen den Geschlechtern: warum sollte die innere Haltung bei Männern andere Folgen haben als bei Frauen? Wer sich nun als tendenziellen Pessimisten sieht, muss nicht den Kopf in den Sand stecken. Sie oder er kann mit Hilfe von Fachliteratur oder therapeutischer Unterstützung durchaus damit rechnen, (wieder) häufiger ein Lächeln auf die Lippen zu bekommen. Wobei die Grundfrage natürlich bestehen bleibt, ob man überhaupt an „mehr Jahren“ im Leben interessiert ist.

Selbstgemachtes Altern

Selbstgemachtes Altern

Gute Ernährung, viel Bewegung und soziale Kontakte: dass diese heilige Dreieinigkeit das Altern deutlich angenehmer machen kann, hat sich mittlerweile sehr weit herumgesprochen. Man reagiert darauf oder lässt es sein. Gut so. Aber nun kommt – oder besser gesagt: wird belegt – dass ein weiterer Faktor entscheidend über die Länge unseres Lebens mitbestimmt: unser Selbsbild im Alter. Befinden wir uns eher auf der skeptischen Seite und halten uns und anderen vor, was alles nicht mehr geht und funktioniert? Eher unproduktiv, weil wir so eine Abwärtsspirale bestätigen und beschleunigen. Wenn wir uns umgekehrt die guten Seiten des Alterns vor Augen halten, weniger Stress, mehr Zeit, mehr Erfahrung, gewachsene Souveränität oder was immer man sich auf der Habenseite notiert, setzen wir psychologisch eine positive Selbstbestätigung in Gang. Diese kann uns – so eine Studie aus dem Jahre 2002 von der Psychologin Becca Levy (Yale University) – bis zu 7,5 zusätzliche Lebensjahre  bescheren. Die Langzeitstudie belegte dies nicht nur statistisch, sondern auch mit neurologischen Fakten: Je schneller die Telomere (an den Chromosomenenden) sich verkürzen, desto zügiger eilt das Leben seinem Ende entgegen. Eine positive Sicht auf das eigene Altern kann den Verkürzungsprozess der Telomere nachweislich verlangsamen. Dieser Befund wurde nun durch eine neue Studie an der Uni Greifswald von der Tendenz her bestätigt. Entwicklungspsychologin und Alternsforscherin Susanne Wurm bilanziert »Für die Gesundheit und Langlebigkeit ist sowohl das Sich-jünger-Fühlen gut als auch eine generell positive Einstellung gegenüber dem Älterwerden«. Wenn es uns gelingt, beim Blick in den Spiegel das Positive zu erkennen, verlängern wir unser Auf-Erden-Sein.

Spiegelwahrheiten

Der Spiegel zeigt, was ich sehen möchte

Das Schöne ist, dass wir je nach Willenskraft und Glaube an den drei o.g. Klassikern der Altersverlangsamung arbeiten können. Alternativ können wir uns nun auf das „Umparken im Kopf“ konzentrieren. Ganz Mutige werden sich vielleicht in allen vier Bereichen engagieren. Sie werden mit selbstgeschenkten Jahren belohnt. Ich halte das für einen guten Deal.

Interdisziplinäre Forschung zum Altern

Interdisziplinäre Forschung zum Altern

Altern ist noch immer mit vielen Fragezeichen versehen

Ein Blick und viele Fragen                 Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Wir kennen das: jede Fakultät hat ein paar nette oder auch wertvolle Tipps zur Hand, wie man mit dem Altern besser fertig werden kann. Sozialbeziehungen, gesundes Essen, Bewegung. Tausenmal gehört – na ja, manches wird ja auch berücksichtigt. Aber oft genug greifen die verschiedenen Tipps nicht ineinander, sondern stehen sich gegenseitig im Weg. Denken Sie nur an den Besuch von zwei Fachärzten. Im Alter  wird dieser selten ohne neue Medikamentierungstipps vonstattengehen. Aber ob diese Medikamente tatsächlich friktionsfrei miteinander kombinierbar sind? Im glücklichen Fall wird sich die Apothekerin der Sache annehmen – wenn man sie darum bittet. Aber oft genug – auch immer noch in Seniorenheimen – wird alles geschluckt.: oft werden dadurch aus zwei Problemstellen drei. Die Medikamene lösen im unbedachten Miteinander Streß im ohnehin geschwächten Immunsystem aus. Die Akteure im Forschungsfeld Altern sprechen bislang auch nur selten miteinander. Interdisziplinarität ist eine schwierige Sache. Jeder muss was von seinem Kuchen abgeben und sich mit Neuem beschäftigen. Dabei ist nun gerade das Altern – nicht nur der körperliche Alterungsprozess – ein Feld für viele Fakultäten. In Hallean der Saale  hat man dies nun auch für sich entdeckt. Dort wurde das Interdisziplinäre Zentrum für Altern (Halle) – IZAH – gegründet. Die Medizin scheint zwar – nach der Zahl der Beteiligten zu urteilen – die Oberhand zu behalten. Aber eine ganze Reihe anderer Fakultäten ist tatsächlich auch beteiligt. Von großen Erkenntniserfolgen ist noch nichts zu lesen, aber das mag ja noch kommen. Das Altern gibt allemal genügend Rätsel auf, um interdisziplinären Forschergruppen genügend Material an die Hand zu geben.

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