Theodor Fontane schrieb ein Gedicht gegen eine Entwicklung, die wir für besonders aktuell halten: den Alarmismus. Oft wird ein  doppelbödige Satz, ein Augenzwinkern, eine scheinbar naive Anmerkung zum Auslöser großer und größte Aufgeregtheit. Die neuen Medien sind die Werkzeuge, die für eine echtzeitnahe Verbreitung sorgen. Nachfragen oder abklären kann man später. Zunächst sollte man sich aufregen. Erregungsbereitschaft als Pflicht für den moderne Zeitgenossen.

Wie gesagt: Fontane hatte von diesen Entwicklungen keine Ahnung. Und doch muss es zu seiner Zeit etwas gegeben haben, was bei ihm eine dichterische Reaktion auslöste, die auch heute noch ausgesprochen passend zum Zeitgeist wirkt – zumindet für mich.

Portrait Fontanes

Theodor Fontane, 1883 gemal von Carl Breitbach

 

Überlaß es der Zeit

Erscheint Dir etwas unerhört,
Bist du tiefen Herzens empört,
Bäume nicht auf, versuchs micht mit Streit,
Berühr es nicht, überlaß es der Zeit.
Am ersten Tag wirst du feige dich schelten,
Am zweiten läßt du dein Schweigen schon gelten,
Am dritten hat du´s überwunden;
Alles ist wichtig nur für Stunden,
Ärger ist Zehrer und Lebensvergifter,
Zeit ist Balsam und Friedensstifter.

 

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