Unsere Müllabfuhr kommt im Schlaf

Unsere Müllabfuhr kommt im Schlaf

Auch in unserem Körper läuft nicht immer alles nach Plan. Im dauernden Austausch von Enzymen, Proteinen und anderen Botenstoffen innerhalb und zwischen den Zellen fällt Müll an. Der Körper packt diese dysfunktionalen Teile in eine Hülle ein, die dann an anderer Stelle entsorgt oder energetisch ausgeschlachtet wird. Dafür sind besondere Enzymgruppen zuständig. Das Ganze ist natürlich hoch kompliziert. So kompliziert, dass der japanische Zellbiologe Yoshinori Ohsumi 2016 den Medizin-Nobelpreis für die Entschlüsselung dieses Mechanismus´ erhielt.

Auch wenn wir die Details nicht annähernd verstehen, ist es gut zu wissen, dass wir über eine körpereigene Müllabfuhr samt Recyclingwerk verfügen. Doof ist hingegen, dass diese selbstverzehrenden Mechanismen (Autophagie) mit zunehmendem Alter Arbeitsverweigerung betreiben. Mit der Folge, dass die körperinternen Müllberge wachsen.

Abfahrender Müllwagen

Bei uns sieht es etwas anders aus…                         Bild von J_Blueberry auf Pixabay

Wir sind aber nicht zu völliger Passivität bei dieser Angelegenheit gezwungen. Prof. Andreas Michalsen von der Berliner Charité fand heraus, dass Nahrungsverzicht über längere Phasen den dann unbeschäftigten körpereigenen Entsorgern die Möglichkeit gibt, den Mehrbestand an Zellmüll doch fachgerecht abzuräumen.
Nein, man muss hierfür keine Fastenkur machen. Wenn man rund um die Nachtruhe 12, 13 oder 14 Stunden lang nichts isst, reicht dies den Entsorgungsmechanismen, „reine Zelle“ zu machen. Nebenbei ist langer Schlaf ohnehin für den Körper – und vor allem für Gehirn- und Nervenzellen – das, was Tankstelle und Reparaturunternehmen für den PKW sind: kurzfristig funktionserhaltende, langfristig lebensverlängernde Stopps.
Unterstützend kann man sich sportlich betätigen. Auch dies wirkt sich aktivierend auf die eigenen Müllentsorger aus.

 

Gutes Altern = Chance auf alzheimerfreies Altern

Gutes Altern = Chance auf alzheimerfreies Altern

Die Alzheimer Forschung Initiative e.V. (Düsseldorf) hat einen kurzen Ratgeber zur Alzheimervermeidung herausgebracht. Man kann ihn auf ihrer Seite kostenfrei herunterladen. Das ist schön! Und weil es so einfach ist, will ich die 12 zentralen Empfehlungen hier auch nicht wiederholen. Was mich erstaunt, ist die Tatsache, dass sich die Empfehlungen quasi 1:1 mit den Empfehlungen zum guten Altern decken. Ob Bewegung, Sport oder soziale Aktivitäten: alles hilft hier wie dort. Nur ein Punkt, der gerade in den neuesten Diskussionen – aufgrund frischer Forschungsergebnisse – häufig genannt wird, taucht nicht auf: der Alkohol. Die freundlich verbrämten Formulierungen von „ein kleines Glas Rotwein am Abend“ bis „Bereits ein Glas Bier pro Tag kann bei Frauen…“ sind ja verhüllte Drohungen.

Die Wissenschaft weiß, dass Alkohol zu den ganz großen Feinden des gesunden Alters gehören. Deshalb sind Ärzte ja auch nach Barkeepern und Werbemenschen in den Alkoholikerlisten recht weit oben vertreten. Wissen und entsprechendes Handeln sind zwei Paar Schuhe. Oder politisch gesagt: wir haben kein Erkenntnis- sondern ein Umsetzungsproblem. Aber zurück: hat Alkohol keine negative Auswirkung auf die Ausbreitung von Alzheimer? Oder wurde er in der Endredaktion des Flyers einfach vergessen? Ohne dies Rätsel lösen zu können, empfehle ich diese  Beschäftigung mit präventiven Maßnahmen gegen die Alzheimer-Erkankung. Sie ist kurz und nicht ganz so verzweiflungsstimulierend wie viele andere Lebenshilfebroschüren.

Die Zahl der an Alzheimer Erkankten wird sich verdreifachen

Die Zahl der an Alzheimer Erkankten wird sich verdreifachen

Demenz und Alzheimer sind längst bekannte Alterserkrankungen. Eine Reihe von Ansätzen, wie man sie eingrenzen oder sogar stoppen kann, gibt es. Bislang hat aber keiner dieser Ansätze zu einem Durchbruch geführt. Daher ist es vernünftig, der Prävention besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Emma Nichols von der University of Washington geht von einem Wachstum der demenzverwandten Krankheiten von 57 Millionen 2019 auf 153 Millionen weltweit Erkrankte im Jahre 2050 aus. Also beinahe eine Verdreifachung. Allerdings fällt die Zunahme regional sehr unterschiedlich aus. Europa und die fortgeschrittenen Teile Amerikas und Asiens werden bedeutend niederige Steigerungsraten sehen als Afrika und der arabische Raum. Japan – jetzt schon überaltert – wird mit nur 27% die geringste Zunahme prognostiziert.

Denken fällt schwer

Alzheimerportrait von Rad Cyrus, unsplash: „Kommt der Gedanke noch?“

Warum diese Unterschiede? Demographische Entwicklungen, Aufklärungsarbeit und kulturelle Prägungen ergeben hier ein Begründungsstrang, der nicht einfach aufzulösen ist. Beispielsweise zeigen sich Deutschlands Gesundheitswächter momentan besonders sensibel für die Folgen von Alkohol. Die Gefahr für unser Leben wird mit immer detaillierteren Studien belegt. Alkohol wird bei uns auch gerne als Mitverursacher von Demenz und Alzheimer genannt. Alkohol – so kann man sagen – hat mittlerweile den Tabak als Hauptbösewicht abgelöst. Aber im arabischen Raum ist Alkohol aus religiösen Gründen verpönt. Dennoch werden hier die höchten Wachstumsraten für Alzheimer und Co. angenommen. Alles-über-einen-Kamm-Scheren funktioniert also nicht. Daher konzentrieren sich die kulturübergreifenden Präventionsempfehlungen auf vier Kernfaktoren, deren begünstigender Einfluß auf die Entwicklung der „Vergessenskrankheiten“ unstrittig ist: Rauchen, Übergewicht, geringe Bildung und zu hoher Blutzuckerspiegel. Das sind sicherlich Hinweise, die der einzelne ernstnehmen oder – bei günstigen Voraussetzungen – auch umsetzen kann. Selbstverantwortung schön und gut. Aber der Staat darf sich auch nicht wegducken. So zitiert das Wissenschaftsmagazin scinexx das US-amerikanische Fachblatt The Lancet mit den Worten: „Vor allem Länder mit geringem und mittlerem Einkommen sollten nationale Programme initiieren, um ihrer Bevölkerung Bildung und eine gesunde Lebensweise zu ermöglichen und nahezubringen“, sagt Koautor Theo Vos von der University of Washington. „So ist es wichtig, strukturelle Ungleichheiten beim Zugang zu Gesundheits- und Sozialversorgung anzugehen, vor allem angesichts einer immer älter werdenden Bevölkerung.“ (The Lancet Public Health, 2022; doi: 10.1016/S2468-2667(21)00249-8)

Fehlende soziale Aktivität scheint Alzheimer zu befördern

Fehlende soziale Aktivität scheint Alzheimer zu befördern

 

Image by tillburmann from Pixabay

Im Online-Magazin heilpraxis wird von einer Studie aus USA berichtet, die die Verbindung von sozialer Aktivität und Alzheimer in den Fokus genommen hat. 217 Frauen und Männer zwischen 63 und 89 Jahren wurden am Brigham and Women’s Hospital in Boston  untersucht. Gemeinsam war ihnen ein relativ hohes Aufkomen von Amyloid-β-Proteinen im Gehirn. Diese gelten in der Fachwelt als Frühindikatoren für anrollenden Alzheimer. Sie verlangsamen die Kommunikation zwischen den Neuronen, da sie sich als eine Art Plague zwischen sie legen. Alle Teilnehmer wurden zu ihrer (analogen) Kommunikationsintensität befragt. Bindung im Familien- und Freundeskreis zählen hier genauso dazu wie aktives Engagement zu Gunsten anderer, also die Beschäftigung mit (ehrenamtlichen) Aufgaben mit hoher sozialer Intensität. Die kognitiven Leistungen der Teilnehmer wurden zu Beginn der Studie und drei Jahre später aufgenommen und verglichen. Der kognitive Leistungsabfall bei den sozial weniger aktiven Teilnehmern war erkannbar grösser als bei denen, die in einem sozial aktiven Umfeld lebten. Nun ist eine Statistik nicht gleich ein felsenfester Beweis, da Rahmenbedingungen und Ausschlüsse von Teilnehmern das Ergebnis womöglich verzerren. Auch ist die Zahl von 217 Teilnehmern nicht so, dass man von Respräsentativität sprechen könnte. Aber ein kritischer Blick auf die Dichte und Intensität des eigenen sozialen Netztes ist bestimmt nicht verkehrt. Gespräche und Auseinandersetzungen sind wie Terminvereinbarungen und Besuche per se anstrengend.Dass Anstrengung zur Übung gehört ist eine Binse. Und das Gehirn funkltioniert wie ein Muskel: Training hilft. Kein Training führt zu nachlassenden Leistungen. Tja, wen wollten wir doch gleich mal wieder anrufen?

Selbst ist der Demenzbekämpfer

Selbst ist der Demenzbekämpfer

Gerald Hüther, gleichermassen geschätzter wie umstrittener Neurobiologe – hat aus einem seiner Lieblingsvortragsthemen ein Buch gemacht.

Er sieht in Sachen Alzheimer die Eigenverantwortung und nicht den klassischen Reperatur- und Medikamentenbetrieb unseres Kranken- bzw. Gesundheitssystems in der Verantwortung. Zunächst einmal macht dieser Ansatz aus uns als potentiellen Opfern der Demenz aktive Widersacher und Gegner. „Wehret den Anfängen!“. Für mich klingt das animierender als der passive Ruf nach dem Onkel Doktor, der es richten möge. Aber Hüther hat auch einen Beleg: die mittlerweile bekannte „Nonnenstudie“ des Epidemologen David Snowdon. Für die Studie wurden hunderte von Gehirnen entschlafener Nonnen analysiert. Allesamt in hohem bis sehr hohem Alter verstorben. Bei allen waren degenerative Prozesse und Plague erkennbar, die gemeinhin als neurologischer Befund für Alzheimer betrachtet werden. Jedoch zeigte keine der untersuchten 678 Nonnen zu Lebzeiten Symptome der Krankheit. Nicht nur Hüthers These lautet nun: der aktive Lebensstil und die Einbindung in eine Welt, die verstehbar, gestaltbar und irgendwie sinnvoll erschien, führte zu einem neuroplastischen Umbau des Gehirns, das auch ohne die befallenen Areale demenzfrei arbeiten konnte. Auch wenn die Generalaussage ein Tick zu optimistisch formuliert sein mag, so ist uns doch damit geholfen, eigenständig auf ein Leben in einer gestaltbaren und sinnvollen Umgebung hinzuarbeiten.

Es hängt am Kopf

Es hängt am Kopf

„Wer rastet, der rostet“. Was für ein steinalter Spruch! Aber dennoch: auch bei ihm handelt es sich um quintessentielle Lebensweisheit. Bislang haben wir den Satz in erster Linie im Hinblick auf körperliche Bewegung verstanden. Und  dies ist durch zahlreiche Studien belegt. Bewegung tut gut. Nicht nur dem Körper, sondern auch dem Geist.

Jetzt verdichtet sich die Forschungslage aber dahingehend, dass auch eine hohe Auslastung, also anstrengendes Denken, eine Schutzfunktion gegen Alzheimer und seine verwandte Krankheitserscheinung, die frontotemporalen Demenz, bieten könnte. Zuletzt weist die Deutsche Gesellschaft für Neurologie in einem Artikel auf diesen Umstand hin. Eine Untersuchung macht anhand der Sterbedaten deutlich, dass die verbleibende Lebenszeit nach Auftreten erster Verwirrtheitsanzeichen mit dem ausgeübten Beruf bzw. der Intensität der Hirnnutzung korreliert. Besser Ausgebildete leben länger.

Leser scheinenn länger zu leben

Leser scheinen länger zu leben

Ich denke nicht, dass man als Nicht-Anwalt oder Nicht-Professor nun den Kopf unter dem Arm tragen muss. Allerdings könnte man bei der Wahl seiner Hobbies vielleicht eher die Grenze zur intellektuellen Überforderung als Richtschnur betrachten als die – oft mit Langeweile – verbundene Unterforderung.

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn Sie diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwenden oder auf "Akzeptieren" klicken, erklären Sie sich damit einverstanden.

Schließen