Musizieren hält unseren Kopf fit

Musizieren hält unseren Kopf fit

Dass geistige Anregung eine gute Brandmauer gegen Alzheimer und Demenz darstellt, hat sich rumgesprochen. Auch hier wurde schon davon berichtet, dass Musikhören auch im Alter eine heilsame Wirkung hat. Nun haben Forschende der Universität Exeter festgestellt, dass aktives Musizieren (am wirksamsten auf dem Klavier) oder Singen (am besten im Chor) eine Art Schadenfreiheitsversicherung für das alternde Gehirn darstellen.

An der seit zehn Jahren laufenden Online-Studie „Protect“ haben sich 25.000 Menschen beteiligt. Die Studie belegt, dass aktives Musizieren die Gedächtnisfähigkeit unseres Gehirns stärkt. Gleiches lässt sich über die Fähigkeit, komplexe Aufgaben zu lösen, festhalten. Beim Chorsingen – so macht die Studie klar – ist nicht genau messbar, welche positiven Effekte allein der Musik oder dem sozialen Miteinander des Chors zuzurechnen sind. Hochwahrscheinlich ist es gerade die Mischung, die das Gehirn der Singenden positiv unter Strom hält.

Klavier mit offenem Notenhefr

Es muss ja nicht gleich Beethoven sein

Die Förderung der musikalischen Bildung bzw. die Schaffung niederschwelliger Möglichkeiten für Ältere, zur Musik zurückzukehren, liegen damit ganz offensichtlich im Interesse der öffentlichen Gesundheit. Aber ehe man auf Klavierunterricht im Seniorenheim wartet, sollte man wohl besser selbst tätig werden. Chöre gibt es wohl noch in jeder deutschen Stadt. Und Noten en gros im Internet.

Unsere Müllabfuhr kommt im Schlaf

Unsere Müllabfuhr kommt im Schlaf

Auch in unserem Körper läuft nicht immer alles nach Plan. Im dauernden Austausch von Enzymen, Proteinen und anderen Botenstoffen innerhalb und zwischen den Zellen fällt Müll an. Der Körper packt diese dysfunktionalen Teile in eine Hülle ein, die dann an anderer Stelle entsorgt oder energetisch ausgeschlachtet wird. Dafür sind besondere Enzymgruppen zuständig. Das Ganze ist natürlich hoch kompliziert. So kompliziert, dass der japanische Zellbiologe Yoshinori Ohsumi 2016 den Medizin-Nobelpreis für die Entschlüsselung dieses Mechanismus´ erhielt.

Auch wenn wir die Details nicht annähernd verstehen, ist es gut zu wissen, dass wir über eine körpereigene Müllabfuhr samt Recyclingwerk verfügen. Doof ist hingegen, dass diese selbstverzehrenden Mechanismen (Autophagie) mit zunehmendem Alter Arbeitsverweigerung betreiben. Mit der Folge, dass die körperinternen Müllberge wachsen.

Abfahrender Müllwagen

Bei uns sieht es etwas anders aus…                         Bild von J_Blueberry auf Pixabay

Wir sind aber nicht zu völliger Passivität bei dieser Angelegenheit gezwungen. Prof. Andreas Michalsen von der Berliner Charité fand heraus, dass Nahrungsverzicht über längere Phasen den dann unbeschäftigten körpereigenen Entsorgern die Möglichkeit gibt, den Mehrbestand an Zellmüll doch fachgerecht abzuräumen.
Nein, man muss hierfür keine Fastenkur machen. Wenn man rund um die Nachtruhe 12, 13 oder 14 Stunden lang nichts isst, reicht dies den Entsorgungsmechanismen, „reine Zelle“ zu machen. Nebenbei ist langer Schlaf ohnehin für den Körper – und vor allem für Gehirn- und Nervenzellen – das, was Tankstelle und Reparaturunternehmen für den PKW sind: kurzfristig funktionserhaltende, langfristig lebensverlängernde Stopps.
Unterstützend kann man sich sportlich betätigen. Auch dies wirkt sich aktivierend auf die eigenen Müllentsorger aus.

 

Altern ist ein Verfallsprozess. Vielleicht traurig, aber wahr.

Altern ist ein Verfallsprozess. Vielleicht traurig, aber wahr.

Die körperliche Leistungsfähigkeit schwindet ebenso wie die geistige. Dass der körperliche Verfall durch geeignete Mittel wie Bewegung und bewusste Ernährung erheblich gestreckt werden kann, ist hier in unterschiedlichen Varianten schon oft Thema gewesen. Zum Abschmelzen der Gehirnfähigkeiten gab es aber hier bislang weniger Informationen.

Tatsächlich verringert sich die graue Hirnsubstanz mit zunehmendem Alter. Beim einen schneller, beim anderen langsamer. Dies wurde in Einzeluntersuchungen immer wieder nachgewiesen. Nun ist aber in dem Online-Magazin Medscape Neues zu lesen: Eine Forschergruppe des Alzheimer-Zentrums der Königin-Sofia-Stiftung in Madrid arbeitete (wohl erstmals) an einer systematischen Vergleichsstudie. Das Forscherteam um Marta Garo-Pascual kommt zu dem Schluss, dass neben den genetischen Anlagen Beweglichkeit und psychische Gesundheit die entscheidenden Unterscheidungsmerkmale zwischen der Kontrollgruppe und der beforschten Gruppe der Superdenker (dämlicher Weise „Superager“ genannt) darstellen.

Die Teilnehmer beider Gruppen waren 80 Jahre und älter. Die – in meiner Lesart – Superdenker schnitten bei einem Gedächtnistest mindestens ebenso gut ab wie 30 Jahre jüngere Menschen gleichen Bildungsstands. Die Kontrollgruppe wartete dagegen mit durchschnittlichen Leistungen für ihr Alter und ihren Bildungsstand auf. Die Untersuchung erstreckte sich über sechs Jahre.

MRT-Untersuchungen bestätigten: Bei den Superagern war die graue Hirnsubstanz in Regionen, die für das Gedächtnis verantwortlich sind, weniger atrophiert als bei der Vergleichsgruppe. Auch nahm das Volumen der grauen Hirnsubstanz in diesen Regionen bei den Superdenkern langsamer ab als bei den „Normalos“.

Zwei schematische Köpfe; einer mit aufsteigenden Fragezeichen, der andere mit aufsteigenden Leuchten

Noch immer rätselbehaftet: unser Gehirn.         (Bild von nugroho dwi hartawan auf Pixabay)

Die Frage für die Forscher war nun: „Warum ist das so?“

Von 89 verschiedenen demografischen, Lebensstil- oder klinischen Faktoren, die in den Algorithmus der Untersuchung einflossen, waren es zwei, die für die Klassifikation am wichtigsten waren: die Bewegungsfähigkeit und die psychische Gesundheit.

Auch diese Studie belegt – wir wissen es bereits – dass körperliche Aktivität sehr wichtig für die kognitive Funktion ist. „Diese Menschen waren über 80 Jahre alt – dass sie sich hinsichtlich des Aktivitätslevels nicht unterschieden, ist nicht verwunderlich. Die Frage ist vielmehr, wie man dort hinkommt, sprich: wie aktiv man im Alter von 40, 50 und 60 Jahren ist“, betont Prof. Dr. Alessandro Cellerino vom Leibniz-Institut für Alternsforschung.

Auch bei Tests der psychischen Gesundheit schnitten die Superdenker besser ab als die Kontrollgruppe: Sie klagten deutlich seltener über Depressionen und Angststörungen. Aktivität ist also im gesamten Lebensverlauf wichtig! Auch Treppensteigen und Spazierengehen ist viel besser als das Sofa zu wärmen.

Beide Gruppen unterschieden sich nicht in Bezug auf das Vorkommen von genetischen Risikofaktoren für Alzheimer. Aber bezüglich der normalen Degeneration, die durch Biomarker angezeigt wird, zeigten die Superdenker niedrigere Werte. Die Warum-Frage ist nicht endgültig gelöst, aber die Hinweise deuten darauf hin, dass bekannte positive Verhaltensmuster auch hier ihre abmildernde Wirkung zeigen. Allerdings bleibt offen, was darüber hinaus noch relevante Faktoren sein könnten. In jedem Fall spielen wohl genetische Unterschiede eine Rolle. Wie groß diese ist, bleibt noch zu erforschen.

„Die Untersuchung bestätigt aber – so Cellerino -, dass die physische und psychische Funktion eng miteinander verbunden sind und dass wir beide erhalten müssen, um gesund zu altern“.

Einmal mehr haben wir die Chance, selbst etwas für uns zu tun…

Lob des Nickerchens

Lob des Nickerchens

Dass die Natur für uns eine lange und eine kurze Schlafphase vorgesehen hat, ist bekannt. Ebenso wie die Tatsache, dass das moderne Arbeitsleben weitflächig keinerlei Verständnis dafür zeigt.

Nun unterstützt ein neues Forschungsergebnis die Vermutung, dass das Schläfchen zwischendurch unser Gehirn grösser und damit funktionsfähiger hält. Wer also Begabung zu und Chance auf einen Power-Nap hat, wird sich nicht nur kurzfristig erfrischter fühlen – mit nachweislich besseren Leistungen nach der Pause -, sondern damit auch auf sein Gesundheitskonto einzahlen.

 

Katze auf Kissen

Meister des Nickerchens: die Katze

Dies ist das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen ExpertInnen aus den USA, Uruguay und Großbritannien. Die Daten von 378.932 Personen zwischen 40 und 69 Jahren wurden dafür analysiert. In dieser Untersuchung wurden die Gehirngrößen von Menschen, die einen genetisch bedingten Hang zu regelmäßigen Nickerchen haben, mit jenen verglichen, bei denen diese Voraussetzung nicht gegeben ist. Dabei stellten sie fest, dass die Gehirne derer, die oft einen Mittagsschlaf halten, größer waren – und das auf einem Niveau, das mit 2,6 bis 6,5 Jahre jüngeren Personen vergleichbar war.

Ob hier ein eindimensionaler Kausalzusammenhang besteht, muss allerdings noch weiter erforscht werden. So etwa lässt sich das Statement der federführenden Wissenschaftlerin Valentina Paz interpretieren.

Jedenfalls gilt Folgendes als erwiesen:  je länger das Gehirn nicht schrumpft, desto grösser sind die Chancen, auch weiter klare Gedanken fassen zu können und der Demenz einen Riegel vorzuschieben. Im Durchschnitt waren die Hirne der nickerchen-aktiven Personen 15,8 Kubikzentimeter größer als die der Vergleichsgruppe. Weitere Studien zu gesundheitlichen Effekten von Nickerchen sind nötig, um zu präziseren Aussagen zu kommen. Doch schon jetzt wird deutlich, dass die kurze zweite Schlafphase eine wichtige Rolle bei der Hirngesundheit im Alter spielt.

Etwas ausführlicher lässt sich das Ergebnis der Studie auf Deutsch hier nachlesen.

Die Zahl der an Alzheimer Erkankten wird sich verdreifachen

Die Zahl der an Alzheimer Erkankten wird sich verdreifachen

Demenz und Alzheimer sind längst bekannte Alterserkrankungen. Eine Reihe von Ansätzen, wie man sie eingrenzen oder sogar stoppen kann, gibt es. Bislang hat aber keiner dieser Ansätze zu einem Durchbruch geführt. Daher ist es vernünftig, der Prävention besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Emma Nichols von der University of Washington geht von einem Wachstum der demenzverwandten Krankheiten von 57 Millionen 2019 auf 153 Millionen weltweit Erkrankte im Jahre 2050 aus. Also beinahe eine Verdreifachung. Allerdings fällt die Zunahme regional sehr unterschiedlich aus. Europa und die fortgeschrittenen Teile Amerikas und Asiens werden bedeutend niedrigere Steigerungsraten sehen als Afrika und der arabische Raum. Japan – jetzt schon überaltert – wird mit nur 27% die geringste Zunahme prognostiziert.

Denken fällt schwer

Alzheimerportrait von Rad Cyrus, unsplash: „Kommt der Gedanke noch?“

Warum diese Unterschiede? Demographische Entwicklungen, Aufklärungsarbeit und kulturelle Prägungen ergeben hier einen Begründungsstrang, der nicht einfach aufzulösen ist. Beispielsweise zeigen sich Deutschlands Gesundheitswächter momentan besonders sensibel für die Folgen von Alkohol. Die Gefahr für unser Leben wird mit immer detaillierteren Studien belegt. Alkohol wird bei uns auch gerne als Mitverursacher von Demenz und Alzheimer genannt. Alkohol – so kann man sagen – hat mittlerweile den Tabak als Hauptbösewicht abgelöst. Aber im arabischen Raum ist Alkohol aus religiösen Gründen verpönt. Dennoch werden hier die höchsten Wachstumsraten für Alzheimer und Co. angenommen. Alles-über-einen-Kamm-Scheren funktioniert also nicht. Daher konzentrieren sich die kulturübergreifenden Präventionsempfehlungen auf vier Kernfaktoren, deren begünstigender Einfluss auf die Entwicklung der „Vergessenskrankheiten“ unstrittig ist: Rauchen, Übergewicht, geringe Bildung und zu hoher Blutzuckerspiegel. Das sind sicherlich Hinweise, die der einzelne ernstnehmen oder – bei günstigen Voraussetzungen – auch umsetzen kann. Selbstverantwortung schön und gut. Aber der Staat darf sich auch nicht wegducken. So zitiert das Wissenschaftsmagazin scinexx das US-amerikanische Fachblatt The Lancet mit den Worten: „Vor allem Länder mit geringem und mittlerem Einkommen sollten nationale Programme initiieren, um ihrer Bevölkerung Bildung und eine gesunde Lebensweise zu ermöglichen und nahezubringen“, sagt Coautor Theo Vos von der University of Washington. „So ist es wichtig, strukturelle Ungleichheiten beim Zugang zu Gesundheits- und Sozialversorgung anzugehen, vor allem angesichts einer immer älter werdenden Bevölkerung.“ (The Lancet Public Health, 2022; doi: 10.1016/S2468-2667(21)00249-8)

Besser gebildet = später dement?

Besser gebildet = später dement?

Demenz ist eine Krankheit, der man bislang nur bedingt etwas entgegensetzen kann. Wenn wir das Gehirn als eine Art Muskel verstehen, ist regelmäßiges Training sicher kein Fehler. Aber auch keine Garantie, keine Demenz zu bekommen. Ob studierte Menschen generell klügere Menschen sind, bezweifle ich stark. Jedoch legt nun eine Studie der Universität Umeå in Schweden (Spektrum der Wissenschaft berichtet) nahe, dass Studierte tatsächlich mit höherer Wahrscheinlichkeit später Demenz bekommen als weniger Gebildete. Der aktive Aufbau von Wissen führt auch rein physisch zu einer größeren Wissensbasis. Der Abschmelzprozess wird „Hirnatrophie“ genannt. Dieser Verlust an Hirnvolumen geht sowohl mit normalen als auch mit krankhaften Alterungsprozessen (z.B. Demenz) einher. Mit dem Alter verkleinert sich das Volumen in Teilen der Großhirnrinde. Dasselbe galt für das Lern- und Gedächtniszentrum des Gehirns, den Hippocampus: Er schrumpft um etwa 50 Kubikmillimeter pro Jahr, was rund ein Prozent seines Volumens ausmacht. Dieser Schrumpfungsprozess verläuft bei allen Menschen im Grunde gleich. Wer nun früher viel gelernt hat, hat einen größeren Vorrat, wird also auch bei identischer Abschmelzgeschwindigkeit noch mehr „Hirn“ haben als jene, die weniger gelernt haben. Also hat auch unnützes Lernen und Wissen zumindest im Alter seine positiven Seiten. Damit könnte man doch mal lernunwillige Studenten und -innen als „Extra-Lernmöhre“ zu locken versuchen.

Leuchtschrift: use your brain

Photo by Jesse Martini on Unsplash

 

 

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