Im Gespräch mit einer Trauerrednerin – Der Blick auf die letzte Zeremonie

Im Gespräch mit einer Trauerrednerin – Der Blick auf die letzte Zeremonie

Mit zunehmendem Alter ergibt sich bei den meisten Menschen auch eine mentale Einstellungsänderung bezüglich des eigenen Endes: das abstrakte Wissen, dass jede/r irgendwann stirbt, wird zur sicheren Erkenntnis, dass die verbleibenden Jahre immer weniger werden. Dies manchmal aufkommende Gefühl wird jedoch zumeist mit erhöhter Verdrängungsenergie zum Schweigen gebracht. Die bewusste Beschäftigung mit dem eigenen Tod findet in unserem Kulturkreis nur selten einen wirklichen Platz. Das Testament und dergleichen bilden einen Teil der möglichen Vorbereitung auf das eigene Ende. Die Pfarrer/innen der christlichen Gemeinschaften übernahmen seit Jahrhunderten zuallermeist den Part der letzten Worte zu den Verstorbenen. Aber nicht erst seit den Massenaustritten aus den Kirchen treten vermehrt nicht konfessionsgebundene Trauerredner/innen an ihre Stelle. Um einmal zu klären, was in ihrer Arbeit den Unterschied zu den Beerdigungen im kirchlichen Kontext ausmacht, habe ich ein Gespräch mit der Trauerrednerin Ute Arndt geführt.

Portrait Ute Arndt

Trauerrednerin Ute Arndt

DG.: Liebe Frau Arndt, warum entscheiden sich Menschen, Sie als weltliche Trauerrednerin zu engagieren – und nicht wie gewohnt eine Pastorin/einen Pastor?
UA: Auch die Angehörigen, die keiner (christlichen) Glaubensgemeinschaft angehören, möchten ihre Verstorbenen mit einer Trauerfeier verabschieden, in der sie mit Reden, Musik und Ritualen in einem würdigen Rahmen Abschied nehmen können. Ich als Rednerin darf aus dem Leben ihrer Lieben erzählen, mit Geschichten und Anekdoten die Lebensmelodie des/der Toten noch einmal erklingen lassen, eingebettet in Musik, Lyrik und weitere Beiträge der Angehörigen selbst.
Als Trauerrednerin moderiere ich die Feier und gestalte die gewünschten Rituale, die Momente der Trauer und der Erinnerung, die Beisetzung in der Erde, aber ebenso den Ausblick auf das Leben, das weitergeht. Auch die Aussegnung gehört zu meinen Aufgaben, wenn gewünscht. Sie kommt im Prinzip in all meinen Reden vor, denn wir alle haben das Bedürfnis, den Toten unseren Segen für ihre Reise ins Jenseits mitzugeben.

DG: Aber wer sich christliche Abschiede wünscht, ist doch von dem entsprechenden Pastor abhängig und muss sich den gegebenen Bräuchen anpassen, oder nicht?
UA: Auch die Pastorin/der Pastor führt vor der Feier ein Gespräch mit den Angehörigen, um etwas aus dem Leben der Verstorbenen zu erfahren. Ihre Gespräche dauern aber nicht so lange und sind weniger intensiv als meine Besuche bei den Angehörigen, was verständlich ist, denn deren Aufgaben sind vielfältig und deren Arbeitszeit ist nicht unendlich.
Meine Empfehlung: Engagieren Sie beide. Die Pastorinnen für die christlichen zeremoniellen Passagen, für die spirituelle Begleitung und das Aufgehobensein im Glauben, und mich als Trauerrednerin, die aus dem Leben der Toten, aber auch von der Liebe und den Beziehungen zu ihnen erzählt. So bereite ich ihnen ein sozusagen zweites Aufgehobensein in der gemeinsamen Erinnerung und dem nun stattfindenden Abschied. Trauerfeiern „im Duo“ bleiben unvergessen und in sehr guter Erinnerung, so meine Erfahrung.

DG: Kommen zu Ihnen nur Jüngere, die schon konfessionslos aufgewachsen sind?
UA: Nein, eher das Gegenteil. Zu meinen Kolleginnen, den sogenannten modernen oder alternativen Bestattungsinstituten, und uns Trauerrednerinnen kommen Menschen mit Lebenserfahrung – also in einem gewissen Alter –, die sehr bewusst ihre Trauer und ihre Beziehungen zu den Toten reflektieren. Menschen, die selbstfürsorglich handeln und wissen, dass das Zelebrieren von Lebensübergängen wichtig ist.
Es können aber auch junge Familien sein, die viel seelischen Beistand brauchen, wenn zum Beispiel der Ehemann oder eines der Kinder gestorben ist. Insofern stehe ich als Rednerin den Angehörigen auch auf ihren ersten Schritten des Trauerwegs zur Seite.
Alle Familien möchten einen würde- und liebevollen Abschied für ihre Toten und für die Lebenden, die Trauergemeinschaft. Sie wünschen sich, dass sie diesen Abschied als „schöne Trauerfeier“ erinnern werden, solange sie auf der Welt sind. Ein erster klitzekleiner Trost. Und sehr oft fällt genau dieser Begriff, wenn sie am Grab stehen, die Feier zu Ende ist und sie sich nicht trennen können.

DG: Frau Arndt, wie schaffen Sie es als Außenstehende über eine unbekannte Person so zu schreiben, dass die Zuhörer zufrieden sind?
UA: In dem Gespräch mit den Angehörigen, das mindestens drei Stunden (oder länger) dauert, sammele ich viele Geschichten aus dem Leben der Verstorbenen, und zwar so lange, bis ich eine innere Verbindung spüre. Nicht nur die Glücks- und Erfolgsstorys, auch Schwieriges, Konflikte und wackelige Beziehungen werden thematisiert – zum Glück, denn Menschen sind keine Heiligen. Die Geschichten, die ich in der Rede wiedergebe, vereinen das Gewesene, holen es in die Gegenwart und bauen eine Brücke in die Zukunft. Sie stärken das Band zwischen den Toten und den Lebenden. Sie beherbergen viele konkrete, sinnliche, emotionale Momente – und wecken oft die Sehnsucht nach: „Erzähl mir mehr …“ Im besten Fall gehen die Trauernden mit dem Gefühl nach Hause, es hat dort vorn eine enge Freundin mitgelitten, mitgeweint und mitgelacht – eine Person, die den verlorenen Menschen verstanden hat.

DG: Wenn ich eine Traueranzeige aufgebe, bekomme ich vor Veröffentlichung noch einen letzten Entwurf zur Freigabe. Wann geben Sie Ihre Trauerrede zur Freigabe an die Angehörigen?
UA: Gar nicht. 95 Prozent der Angehörigen schenken mir ihr Vertrauen und erleben die Rede auf der Feier, vorher nehmen sie sie nicht zur Kenntnis. Manchmal aber telefoniere ich mehrmals während des Schreibens und verifiziere Daten, Bezeichnungen, Namen und Abläufe von Ereignissen, wenn ich sie in der Rede aufgreife und Irritationen vermeiden möchte. Auf Wunsch bekommt aber jeder die Rede vorab zu lesen – und alle Veränderungswünsche werden erfüllt. Erinnerungen sind unser Besitz, und so gehört die Rede in meinem Selbstverständnis den Angehörigen.

DG: Sieht jetzt eine Trauerfeier mit Ihnen anders aus als eine konventionelle, von den Kirchen organisierte Beerdigung?
UA: Als soziale Wesen brauchen wir gerade in Übergangszeiten Rituale, mit denen die Seele einen Moment innehalten kann, das Vertrauen in das Leben nicht verliert; in denen all das nicht zu Sagende sich in einer symbolischen Handlung materialisiert. In wirklich gelebten Ritualen fühle ich mich mit dem Leben und der Gemeinschaft verbunden. In konfessionellen Trauerfeiern empfinden die Trauernden manches Mal die überlieferten Rituale als entleert, sie nicht repräsentierend. Wenn sie aber eingebettet sind in das persönliche Erleben aller Beteiligten, der Toten und der Trauernden, dann ermöglichen sie Transformation, das Integrieren der Verlusterfahrung und das kollektive Erleben. So sind auch die „neuen“ Trauerfeiern ein Ort, an dem ich gern Rituale einbinde wie das Kerzenritual, Beten, Mantrensingen, wie die Aussegnung, den Erdwurf, den Reisesegen – und alles andere, was gewünscht wird.

DG: Schönen Dank, liebe Frau Arndt, für Ihre Zeit. Wir werden das Gespräch gelegentlich weiterführen.
UA: Gerne.

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Wenn Sie selbst das Gespräch für sich weiterführen möchten:
Ute Arndt – Trauerreden und Trauerbegleitung
www.ute-arndt.de
mail@ute-arndt.de
Tel. 0173 255 355 1

Ute Arndt engagiert sich zusammen mit der Urnen-Künstlerin Ina Hattebier (www.andere-urnen.de) im Netzwerk Trauerkultur. Mit Workshops, Diskussionen und Death Cafés möchte es Mut machen, sich mit den Themen Sterben, Tod und Trauer zu beschäftigen und sich mit anderen darüber auszutauschen.
www.netzwerk-trauerkultur.de

Selbstgemachtes Altern

Selbstgemachtes Altern

Gute Ernährung, viel Bewegung und soziale Kontakte: dass diese heilige Dreieinigkeit das Altern deutlich angenehmer machen kann, hat sich mittlerweile sehr weit herumgesprochen. Man reagiert darauf oder lässt es sein. Gut so. Aber nun kommt – oder besser gesagt: wird belegt – dass ein weiterer Faktor entscheidend über die Länge unseres Lebens mitbestimmt: unser Selbsbild im Alter. Befinden wir uns eher auf der skeptischen Seite und halten uns und anderen vor, was alles nicht mehr geht und funktioniert? Eher unproduktiv, weil wir so eine Abwärtsspirale bestätigen und beschleunigen. Wenn wir uns umgekehrt die guten Seiten des Alterns vor Augen halten, weniger Stress, mehr Zeit, mehr Erfahrung, gewachsene Souveränität oder was immer man sich auf der Habenseite notiert, setzen wir psychologisch eine positive Selbstbestätigung in Gang. Diese kann uns – so eine Studie aus dem Jahre 2002 von der Psychologin Becca Levy (Yale University) – bis zu 7,5 zusätzliche Lebensjahre  bescheren. Die Langzeitstudie belegte dies nicht nur statistisch, sondern auch mit neurologischen Fakten: Je schneller die Telomere (an den Chromosomenenden) sich verkürzen, desto zügiger eilt das Leben seinem Ende entgegen. Eine positive Sicht auf das eigene Altern kann den Verkürzungsprozess der Telomere nachweislich verlangsamen. Dieser Befund wurde nun durch eine neue Studie an der Uni Greifswald von der Tendenz her bestätigt. Entwicklungspsychologin und Alternsforscherin Susanne Wurm bilanziert »Für die Gesundheit und Langlebigkeit ist sowohl das Sich-jünger-Fühlen gut als auch eine generell positive Einstellung gegenüber dem Älterwerden«. Wenn es uns gelingt, beim Blick in den Spiegel das Positive zu erkennen, verlängern wir unser Auf-Erden-Sein.

Spiegelwahrheiten

Der Spiegel zeigt, was ich sehen möchte

Das Schöne ist, dass wir je nach Willenskraft und Glaube an den drei o.g. Klassikern der Altersverlangsamung arbeiten können. Alternativ können wir uns nun auf das „Umparken im Kopf“ konzentrieren. Ganz Mutige werden sich vielleicht in allen vier Bereichen engagieren. Sie werden mit selbstgeschenkten Jahren belohnt. Ich halte das für einen guten Deal.

Gedanken zum eigenen Tod

Diese Gedanken machen sich einige, viele aber werden von den Gedanken eher heimtückisch angeweht (tschuldigung für die Corona-Metapher!). Im Halbschlaf, unter der Dusche und in anderen Momenten vermeintlichen Müssigganges. Ausformuliert werden diese Gedanken eher selten. So lohnt es sich m.E. sehr, sich die Gedanken, die der 80-jährige Autor Hans Widmer in der NZZ zu Papier gebracht hat, nachzulesen. Wirkungsvolle Lektüre! Mein Dank an den Autor!

Nachdenken über das Alter

Nachdenken über das Alter

Wenn man mal ehrlich ist: der Tod ist das einzig Gewisse im Alter. Um ihn auf Distanz zu halten, sind ganze Industrien in Sachen Ernährung, Bewegung und Bespaßung für uns tätig. Und sie haben Erfolg: der „dessen Name nicht genannt werden darf“, der Tod, bleibt tabuisiert. Sein finaler Auftritt ist sicher. Unabänderlich.Was soll man dann noch darüber reden? Nur wenigen fällt da noch etwas zu ein. Wer sein individuelles Verdrängungsprogramm mal kurz aussetzen will, um wenigstens ein paar schwerer wiegende Gedanken zum Ableben zu überdenken, dem kann ich nur Odeo Marquards Büchlein ans Herz legen.Der frühere Chef der deutschen Universitätsphilosophie ist – leider auch er – vor ein paar Jahren verstorben. Der Reclam Verlag – bei dem Marquard bevorzugt publizierte – hat eine verdienstvolle Auswahl seiner altersbezogenen Texte mit einem sehr persönlichen Interview angereichert. Aus meiner Sicht eine der best denkbaren Pausen im Verdrängungsdauerlauf.

Brutal gegen das Altern

Brutalismo ist ein Begriff, der Teile der unter dem Faschismus entstandenen Architektur – vor allem in Italien – zusammenfaßt. Mir fiel dieser Begriff ein, als ich in der FAZ einen Artikel über die Bemühungen im Silicon Valley las, dem Alter ans Genick zu gehen. Es klingt nach der gleichen naturwissenschaftlichen Begeisterung, mit der die Kernfusion studiert oder Furunkelmedikamentierung evaluiert wird. Bin ich einfach zu sensibel? Wollen nicht alle/die meisten/viele das Alter und den Tod in weitest möglicher Distanz halten? Dennoch überkam mich ein gewisser Schauer als ich vom Einfrieren jugendlicher Stammzellen las, die im Alter (wo die körpereigenen weniger multifunktional und ohnehin seltener vorkommen) den mehr oder minder hinfälligen Körper wieder mit eigener Jugend verjüngen sollen. So eine Art Eigenblutdoping in neuer Qualität. Damit würde das Altern zu einer Art alternativem Sportwettkampf. Nun, auch die Wahrheit hierzu mag im Auge des Betrachters liegen. Ein anderes im Valley beheimatetes Unternehmen mit dem vielversprechenden Namen Ambrosia bietet älteren Menschen Blutspenden von Jugendlichen und Jungerwachsenen zum Preis einiger tausend Dollar an. Wollen wir das als Anregung aufnehmen? Aber lesen Sie selbst.

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