Neue Zielgruppenzeitschrift

Frisch auf dem Markt ist jetzt „invivo“. Eine weitere Zeitschrift, die es gezielt auf die Leserschaft der 50 bis 65-Jährigen abgesehen hat. Erstaunlich an dem Projekt ist, dass sich das Magazin zunächst rein aus der Webung finanziert. Ledglich 20.000 der angegebenen Auflage von 100.000 wird an Bahnhofs- oder Flughafenkiosken für 6 € verkauft. Der Rest geht als Schnupperabonnement direkt an Interessierte. Ist das waghalsig? Interesant scheint mir, dass die Werbewirtschaft offensichtlich einen Paradigmenwechsel vollzieht: bislang galt das Alterssegment der 14- bis 49-Jährigen als einzige Zielgruppe. Jenseits der 50 herrschte werbliches Brachland – wenn man von ein paar Gehhilfen, Bandagen und Treppenliften absah. Und jetzt finanziert die Werbng ein ganzes Zeitungsprojekt. „Da brate mir einer einen Storch!“ könnte man dazu sagen. Oder mit Befriedigung feststellen, dass die trendsetzende Werbewirtschaft der Generation 50+ den Ritterschlag als satisfaktionsfähige Zielgruppe erteilt hat.

Radfahren? Radfahren!

Meine Mutter vermittelte mir als Kind, dass Fahrradfahren eine prima Sache wäre. Allerdings nur für Kinder, vielleicht auch noch für junge Leute (so hiess das damals) in der Ausbildung oder im Studium. Danach aber – so ging ihr Urteil mehr zwischen den Zeilen weiter – schickt sich diese Form der Fortbewegung nicht mehr. Auch wenn ich meine Mutter ungern kritisiere, hier irrte sie geradezu fundamental. Das Fahrrad bietet eine ökologisch hoch erfreuliche Form der Weiterbewegung. Also günstige Mobilität auch für all jene, die PKWs nicht (mehr) fahren möchten, und dennoch in Bewegung bleiben wollen. Fahrradfahren ist gelenkschonend, stärkt das Herz-Kreislaufsystem und bringt via frische Luft und Bewegung automatisch rote Backen. Nun muss ich meiner Mutter in einer Sache aber doch Recht geben: richtig alte Menschen wirkten auf Fahrrädern früher eher unglücklich. Was zu einem Gutteil darin begründet lag, dass es keine altengerechten Fahrräder gab.

Dieser Tage spazierte ich an zwei Fahrradgeschäften vorbei, und siehe: die Dinge haben sich nachhaltig geändert: die Mehrzahl der ausgestellten Neufahrzeuge waren solche mit extratiefem Einstieg: bequem auch für diejenigen nutzbar, die ihre Knie nicht mehr ganz so hoch bekommen und/oder vor ausladenden Bewegungen Furcht verspüren. Also die Fahrradproduzenten haben verstanden, dass ihre Zukunft weniger in Kinder- oder Rennrädern liegt, sondern dass das wachsende Segment nun  jenes der „Bequemräder“ ist. Jetzt braucht man dies Angebot nur weise zu nutzen!

Im Focus der Öffentlichkeit

Tchibo hat unter dem Motto „Jede Woche eine neue Welt“ das neue Jahr mit einem Generalblick auf vieles, was das Leben im Alter leichter und angenehmer macht, eröffnet. Nun finden sich in den Schaufenstern klappbare Duschhocker, Trolleywagen so wie Treppenlifte und Hüftbandagen. All diese kleinen und großen Helferlein waren bislang nur clandestin beim Arzt oder in verschrobenen Sanitätshäusern, Vitalcentern oder abgelegenen Orthopädiestützpunkten erwerbbar. Nun liegt die Unterstützung in tausenden von Discounterauslagen und erzählt aufs Bildhafteste die Geschichte einer älter werdenden Gesellschaft. Danke Tchibo! Jetzt wird vielen bewusst werden, dass der Wandel vom Jugend- zum Altenkult längst begonnen hat.

Online kaufen

Auch im Internet werden die Älteren nun als eigene Zielgruppe bedient: unter www.seniorenland.com kann man nicht nur Fußsprudler oder Seniorentelefone erwerben. Möbel, Altershilfen, Ernährung lauten einige der orientierungsspendenden Reiter. Das andere Verkaufsverständnis wird hier deutlich „...bisher werden Produkte für Senioren immer mit „Krankheit“ in Verbindung gebracht – das wollen wir aufbrechen und versuchen Normalität in diesen irgendwann jeden Menschen betreffenden Teil des Lebens zu bringen.“ Richtig so. Mal vorbeischauen…

„…bis 125“

Auch bei der Spielzeugindustrie ist die Kenntnis der geänderten Lebenserwartung angekommen: momentan werden kleine Würfel aus Schaumstoff vertrieben, die – analog zum alten Zauberwürfel aus den 80er Jahren – auf verschiedenem Niveau das Verschieben der Segmente hin zu einer einheitlichen Farbfläche pro Würfelseite zum Ziel haben. Also ein nettes Remake für Kinder. Aber anders als früher – wir erinnern uns – steht hier nicht mehr von 9-99; sondern in der schwersten Variante: „von 9 bis 125“. Hat doch was!

Cobain und die Rentner

In der TAZ vom 26. Juni berichtet Erik Heier von einem Beliner Theaterprojekt. Ähnlichkeiten zur Neufassung von The Who´s „hope to die before I get old“ durch eine 70+ Band sind nicht von der Hand zu weisen: Generationenstreit oder Generationenbrücke? Eine Reihe von Amateurschauspielern jenseits der 60 setzt sich szenisch mit Kurt Cobain auseinander. Das war jener junge Mann, der sich 1994 auf dem Höhepunkt seiner rock-musikalischen Karriere mit 27 Jahren im Rausch mit einer Schrotflinte ins Gesicht schoß. Das ist der Stoff, aus dem Mythen gewebt werden. Die Alten nun haben durchgehalten, nicht gekniffen, obwohl es ihnren Viten auch Mancherlei gab, das wahrlich zum Weglaufen war. Was aus so unterschiedlichen Lebensläufen darzustellen ist, kann man im Theaterhaus Mitte in Berlin zumindest heute und morgen ab 20.00 Uhr entdecken. Später möchte Regisseurin Sylvia Moss die Einspielung als Video auf Reisen schicken.

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