25.01.2012 | Allgemein, Arbeitswelt, Demographie, Gesellschaft, Rente, Wohlbefinden
Während es jetzt den ersten Jahrgag „erwischt“ hat, der einen Monat später in Rente gehen darf, flammt die Diskussion erneut auf, ob die Rente mit 67 eine Zumutung darstellt (so einige Gewerkschaften) oder im Gegenteil noch nicht weit genug gedacht ist (so z.B. Allianz-VV Michael Diekmann). Diese Diskussion wird es sich m. E. auf absehbare Zeit im öffentlichen Raum bequem machen und – wie beispielsweise die Diskussion um Abgeordnetendiäten – immer wieder „hoch poppen“. Zuwandererrate, Rentenkassenstand etc. bieten immer wiederkehrende Möglichkeiten hierzu. Wesentlich origineller und auch beachtenswerter ist das Plädoyer von Hans Magnus Enzensberger in einer der letzten SPIEGEL-Ausgaben: er fordert das Ende des staatlichen Rentendiktats und die Vertragsfreiheit unter den Beteiligten. Angesichts der Buntheit der gesellschaftlichen Lebenswirklichkeit hat jede Abkehr von Generalnormen (vom Strafrecht einmal abgesehen) etwas wohlig realistisches an sich. Manch einer muss heute länger „buckeln“ als er möchte; andere müssen wider ihren eigenen Willen durch staatliche Zwangsbeglückung ihren geschätzten oder gar geliebten Job (ja, das gibt es!) vorzeitig an den Nagel hängen. Wie demokratisch vernünftig wirkt da die Option einer selbstbestimmten Entscheidung! Und es scheint mir keineswegs ausgemachte Sache zu sein, dass die Rentenkasse unter einer solchen Individualisierung leiden müsste!

Die definitive Rentengrenze bleibt bis auf weiteres im Nebel
18.08.2011 | Arbeitswelt, Demographie, Europa, Gesellschaft, Politik, Staat
Nein, nein, es geht nicht um Donald Rumsfelds „altes Europa“ von 2003. Die Europäische Union hat mittlerweile selbst erkannt, dass sie immer älter aussieht. Deutschlands demopraphische Probleme zeigen sich in abgeschwächter Form auch in anderen Ländern der Union. Ab dem kommenden Jahr wird die Bevölkerung Europas im erwerbstätgen Alter abnehmen. Jährlich werden zwei Millionen Menschen die Schwelle von 60 Jahre überschreiten.

Um die lokalen Verantwortungsträger darauf vorzubereiten, hat die EU das kommende Jahr 2012 zum „Europäischen Jahr für aktives Altern“ erklärt. Im Zuge einer Medienkampagne soll alle Welt dafür sensibilisiert werden, dass man etwas für gesünderes Altern tun kann. Ein längerer Verbleib im Erwerbsleben steht genau so auf der Agenda wie die Förderung ehrenamtlichen Engagements.
In Deutschland wird angesichts des Fachkräftemangels mit der Kampagne wohl nur an sperrangelweit geöffneten Türen gerüttelt. Hingegen dürfte es spannend werden zu beobachten, wie die Bevölkerung in Ländern mit einer Jugendarbeitslosigkeit von 20% oder gar 40% auf derartige Sensibilisierungen reagiert. Ein „clash of generations“ scheint mir durchaus denkbar. Frankreich weist momentan eine Rate von 22,8 % Jugendarbeitslosigkeit auf, Italien 27,7 % und Spanien führt mit unglückseligen 45,7% die Liste an. Näheres kann man hier nachlesen.
16.06.2011 | Arbeitswelt, Demographie
Vielleicht erinnert sich noch die eine ode der andere an den bräsig- dümmlichen Wahlkampfruf von Ex-NRW-Ministerpräsident Rüttgers: „Kinder statt Inder“. Die BILD-Zeitung war so freundlich, dazu passende Aufkleber zu fertigen. So lange ist es nicht her, aber bis auf die CSU wird heute praktisch durch die geamte Parteienlandschaft hindurch die Notwendigkeit qualifizierter Einwanderung nicht mehr bestritten. Arbeitgeberverbände fordern sie sogar lautstark ein. Die heiß laufende Konjunktur befördert die Diskussion. Das zur Nürnberger Bundesagentur für Arbeit gehörende Forschungsinstitut IAB hat eine interessante Diskussion zu diesem Thema ermöglicht. Eine gute Zusammenschau ist hier nachlesbar. Spannend bleibt die Frage, wann sich die CSU den Kontakt mit der demographischen Realität erlauben wird.
18.05.2011 | Arbeitswelt, Demographie, Gesellschaft, Politik, Wissenschaft
Salamitaktik könnte man es nennen: nach dem beschlossenen Renteneinstiegsalter 67 Jahre haben die fünf Wirtschaftsweisen heute empfohlen, ab dem Jahre 2049 den Renteneintritt auf 68 oder 69 Jahre anzuheben. Der Proteststurm dürfte ihnen sicher sein. Wer sich an unser Anfänger-Büchlein erinnert, weiß, dass wir mit Blick auf die Rostocker Demographieforschung von einem Einstiegsalter von 72 Jahren ausgegangen waren. Wer hier Recht hat, lässt sich nicht wirklich bestimmen, da die Faktoren Zuwanderung, Steigerung der Erwerbspersonen und Zuschuß zur Rentenkasse aus dem Bundeshaushalt Steuerungsgrößen der Poltik sind – wenn sie ihr Handwerk denn mit Blick auf die Notwendigkeiten ernst nimmt. Wir werden sehen…Unstrittig ist aber, dass das noch faktische Renteneintrittsalter von 62, 63 Jahren auf keinem Wege finanzierbar bleiben kann.
21.03.2011 | Allgemein, Arbeitswelt, Bildung, Demographie, Gesellschaft, Rente, Wohlbefinden
Die alte Gretchefrage, ob nun das Sein das Bewußtsein bestimmt oder ob das Gegenteil nicht doch treffender ist, soll hier nicht geklärt werden. Aber „Sprüche“ und Volksweisheiten als Essenzen kolltektiver Annahmen oder Unterstellungen haben eine erstaunliche Lebensdauer. Und sie prägen mit Sicherheit Einstellungen zu verschiedenen Herausforderungen des Lebens. Die aktuelle Hochglanz-Formulierung vom „lebenslangen Lernen“ steht der noch immer tief in vielen Gemütern verankerte Annahme, Hans könne nicht mehr erlernen, was Hänschen nicht bereits gelernt hat, entgegen.

Die zunehmenden Nachfragen älterer und alter Bürger nach Fernstudiengängen sind ein Beleg für die Aufweichung des alten „Glaubensbekenntnisses“. Früher hatten die sogenannten „Seniorenstudiengänge“ immer ein wenig den Beigeschmack der staatlich finanzierten Beschäftigungstherapie. Angesichts drohenden Fachkräftemangels und verlängerter Lebenszeiten sieht das heute ganz anders aus. Natürlich nicht für alle, aber die Zahl volkswirtschaftlich relevanter alter „Neustudenten“, die ihre Entscheidung mit Blick auf die Möglichkeiten des Arbeitsmarktes trifft, wird in den nächsten Jahren sicherlich erheblich zunehmen. Zwar ist die Studiengangswelt für diese Zielgruppe noch übersichtlicher als bei den Jungstudenten, aber das Angebot wird auch für die Alten immer größer. Womöglich kommen wir über kurz oder lang dahin, Seniorstudenten gar nicht mehr extra aufzuführen. Dann muesste sich niemeand mehr die Frage stellen, ob Seniorenstudiengängen nicht doch etwas Altersdiskriminierendes an sich haben. Aber gemach: die Zukunft braucht ihre Zeit. Im Bereich der Fernstudien gibt es jedenfalls heute eine beachtenswerte und hilfreiche Übersicht auf den Seiten der Initiative lebenslanges Lernen. Unter dem Reiter „Weiterbildung“: …“für Senioren“ finden sich hier ein paar wichtige Grundinformationen für all jene, die sich mit dem Gedanken tragen, der Hochglanzformulierung zumindest im eigenen Leben reale Bedeutung zu geben. Wobei auch die nicht-altenspezifischen Hinweise lesenswert erscheinen.
12.01.2011 | Arbeitswelt, Demographie, Wissenschaft
Wie weit hat sich in der Mittte der Bevölkerung das Bewußtsein für die demografische Herausforderung der kommenden Jahre entwickelt? Exakt wird das niemand sagen können; einschlägige Untersuchungen sind mir nicht bekannt. Das gestern im ZDF gezeigte Doku-Drama „2030 – Aufstand der Jungen“ lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Wer wissen möchte, kann hier zumindest Hinweise auf die Verschiebung des deutschen Altersdurchschnitt und die daraus resultierenden Folgen wahrnehmen. Aber zum einen gibt es ja noch Möglichkeiten für kluge Kompromisse zwischen den Generationen, zum anderen kann der Film auch als Science-Fiction konsumiert werden: „hat nix mit mir und meinem Leben zu tun!“
Erfrischend positiv dagegen ein Beispiel aus den USA, das DIW-Präsident Zimmermann am Wochenende in der Süddeutschen Zeitung im Kontext „Die Zukunft der Arbeit“ brachte: „Im amerikanischen Boston gibt es ein Familienunternehmen, das ausschließlich ehemalige Lehrerinnen, Ingenieure, Designer oder Kellnerinnen beschäftigt. Das Durchschnittsalter liegt dort bei 71 Jahren. Dank der Verlässlichkeit der Mitarbeiter stieg der Umsatz in den letzten Jahren um 20 Prozent. Es ist nicht nötig, Angst davor zu haben, dass die Belegschaften auch bei uns älter werden – wenn dieser Prozess gut gemanagt wird.“ Der Absender dieser frohen Botschaft ist eigentlich prominent genug, um Verhaltensänderungen in den Köpfen der verantwortlichen Personaler und Geschäftsführer auf den Weg zu bringen. Ich halte ihm die Daumen dafür! Aber vielleicht folgt das Gros der Deutschen doch lieber passiv den ZDF-Alarmisten als dem zur Eigeninitiative aufrufenden Zukunftsgestalter?