Kollektiver Reflex der Politik

Kollektiver Reflex der Politik

Wahlzeit ist Vorweihnachtszeit: Geschenke für alle! Jeder, der in diesen Wochen zum Verzicht ermahnt oder Unbezahlbarkeit anmerkt, wird von der politischen Klasse geohrfeigt und abgekanzelt. Es ist die Zeit vollmundiger Wahlversprechen! Keine Steuererhöhung! Steuererleichterungen! Mehr Geld für diese oder jene Klientel. Und: „die Rente ist sicher“. In der aktualisierten Fassung heißt das dann in etwas: An den Renten wird es keine Abstriche geben, was immer auch passiert. Kurz und gut: Es ist wieder Märchenzeit in Deutschland. Und das Wahlvolk scheint zwischen Sommerferien und Vorfreude auf die Wahlgeschnke den Bezug zur Realität zu verlieren. Selbst wenn eine ernst zu nehmende Institution wie die Bundesbank ihre Stimmer erhebt, um Warnendes zu sagen, bilden die Parteischwadroneure schnell eine Phalanx der vermeintlichen Gemeinwohlverteidiger. Konkret hat die Bundesbank die Verschiebung des Renteneintrittsalters auf 69 Jahre vorgeschlagen. Allerdings erst ab ca. 2060. Anstatt diesen Gedanken als Aufruf zu verstehen, in eine Diskussion über flexibilisierte Arbeitszeitmodelle – nicht fur für die Älteren, aber eben auch für sie – einzutreten, verwahren sich die Klientelschützer gegen jede Infragestellung des status quo. Und das bei einem Schuldenstand der öffentlichen Hand von ca. 1,7 Billionen Euro. Eine Sternstunde politischer Wahrhaftigkeit ist das heute gewiss nicht!

geldNatürlich: Die Rente war sicher, ist sicher und wird es immer bleiben. Ein Narr, wer hier zu diskutieren beginnt.

Kommunen und demografischer Wandel

Kommunen und demografischer Wandel

Was tun eigentlich die Kommunen für Ihre älter werdenden Bürger? Nur die gute Hälfte aller deutschen Bürgermeister gibt an, sich überhaupt planerisch mit dem Thema auseinander zu setzen. Immerhin ist der kümmernde Anteil unter ihnen aber wahrscheinlich größer als der Anteil von Personalentscheidern in Unternehmen, die sich bezüglich ihrer älter werdenden Mitarbeiterschaft Gedanken machen. Nun gut. Die Bertelsmann-Stiftung hat mit NAIS (Neues Altern in der Stadt) vor ein paar Jahren eine unterstützende Initiative auf den Weg gebracht. Nun kann man die ersten Ergebnisse betrachten. Offensichtlich vorbildlich läuft nicht nur das Planen, sondern auch das Umsetzen im schwäbischen Bruchsaal. Schaut man sich die detaillierten Ziele der Stadt an, so hat man das Gefühl, dort herrsche tatsächlich ein verstehender Geist. „Zusammenarbeit von Ehrenamt und Stadterwaltung weiter ausbauen“ ist dort zu lesen, oder auch „Selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden ermöglichen“. Allein diese Zielliste sollten sich andere Kommumnen als Anregung in ihren Sitzungssaal hängen. Wenig ist bei den Bruchsaaler Zielen zu lesen, was nicht sinnvoll zu transferieren wäre. Fragen Sie doch mal bei ihrer eigenen Gemeinde nach.

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In der Krise werden ältere Arbeitnehmer entsorgt

Auf dem Papier steht noch „Rente mit 65.“ Bald sollen es 67 werden. Aber Papier ist geduldig. Eine parlamentarische Anfrage brachte zu Tage, dass die Arbeitslosenzahl der 55- bis 65-jährigen um 17% zugenommen hat. Schon vor der Krise war die Erwerbsquote bei den Älteren schlecht: von den 55- bis 58-jährigen arbeiteten gerade mal 39%. Das bedeutet mittelfristig volkswirtschaftlichen Selbstmord. Mal ganz abgesehen von den psychologischen Folgen für den Einzelnen. Und wenn sich dann Politiker hinstellen und erzählen die Rente sei sicher, muss man sich wirklich fragen, in welchem Masse der Wähler hier zu Lande für dumm verkauft wird. Das Ausbooten von Erfahrung und Loyalität (den großen Pluspunkten der älteren MitarbeiterInnen) wird auch für viele Firmen noch negative Folgen haben. Es wird Zeit für einen Turnaround!

Älterer deutscher Mann in Japan?

Älterer deutscher Mann in Japan?

Das Internet kann einen ob seiner Vielfalt immer wieder verblüffen. So gibt es für deutschsprachige Männer über 60, die in Japan leben, auch eine Möglichkeit, sich einer Gemeinschaft Gleichgesinnter anzuschliessen. Ziel: Abhilfe für die entfallenden Sozialkontakte des Berufslebens zu schaffen.

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Auch Japaner, die eine kulturelle Brücke nach Deutschland haben, finden sich in diesem Kreis wieder. Welche Geheimnisse der Austausch wohl in diesem Land mit der höchsten Lebenserwartung zu Tage bringt? Schnuppern Sie hier doch mal rein…

Politisierung der Rente

Die Frage, wann jemand in Rente darf oder muss (hier gibt es ja sehr unterschiedliche Meinungen), ist leider nicht dem mündigen Bürger überlassen, sondern ist das Produkt politischer Willensbildung. Die Koalition hat das Rentenalter auf 67 Jahre hinauf gesetzt. Weniger körperliche Belastung, die demografische Situation und begleitende Hilfspakete für ältere Arbeitnehmer begründen bzw. stützen diese Entscheidung. Nun äusserte sich gerade DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach in der „Leipziger Volkszeitung“ hierzu. Grundton: angesichts der Krise möge man den Rentenaufschub zurücknehmen, um Altersarbeitslosigkeit zu verhindern. Denken scheint auch in höhreren Positionen manchmal Glückssache zu sein. Die Reform tritt zum einen erst 2012 in Kraft. So viel Zeit geben auch die grössten Skeptiker der jetzigen Wirtschaftskrise nicht. Aber abgesehen davon: Im Fall von betriebsbedingten Kündigungen werden ältere Arbeitnehmer – zu Recht – eher als letzte, denn als erste „dem Arbeitsmarkt wieder zur Verfügung gestellt“. Abgesehen von der Frage nach der Bezahlbarkeit ihres Vorschlags muesste sich Frau Buntenbach fragen lassen, für welche Schutzbefohlenen sie sich mit diesem Plädoyer eigentlich aufschwingt. Würden nicht implizit die Alten wieder als schutzwürdige Opfer dargestellt – was sie m.E. überhaupt nicht nötig haben -, könnte man die Story als ersten Vorboten des Sommerlochs verstehen. Inhaltlich kann man  jedenfalls trefflich von einem Loch sprechen. Mal sehen, was da noch auf uns zukommt…

Sozialisation, Realität und Wahrnehmung

Den Begriff „Sozialisierung“ verbinden wir in erster Linie mit Kindheit und Jugend: Sozialinstanzen wie die Schule sollen die jungen Mitbürger gesellschaftsfähig machen. In den verschiedensten Richtungen. Sozialisierung hört aber nicht mit dem Schulabschluss auf. Ältere Menschen verhalten sich  – in einem individuell unterschiedlichem Ausmaß – so, wie die Gesellschaft es von ihren älteren Mitmenschen eben erwartet. Exzentrik beispielsweise ist hier weniger gern gesehen als Bedachtsamkeit. Nun kommt die Frage nach Ei und Huhn: wird sich in den nächsten Jahren zunächst die Wahrnehmung alter Menschen, die Prägestöcke wie sie sich zu benehmen haben, ändern oder das Verhalten älterer Menschen selbst? Schaut man auf die jüngste Studie der Robert-Bosch-Stiftung, so sieht man, dass Journalisten mehr als die Restbevölkerung einen Wandel des Altersbildes für notwendig erachten. Dass deutet darauf hin, dass zunächst der gesellschaftliche Prägestock nachjustiert wird, dann erst die älteren Individuen sich anders als tradiert verhalten werden. Ich glaube hingegen, dass der Wandel längst begonnen hat. Nur viele sind zu engsichtig, um ihn wahr zu nehmen. Das Alter gewinnt fulminant an Selbstbewusstsein!

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