Immer mehr kümmern sich

Noch vor Jahresfrist stiess man eher zufällig im Internet auf Initiativen, die sich irgendwie mit dem Thema Älterwerden beschäftigten; heutzutage wird man auch in der analogen Welt immer mal wieder mit einem Flyer oder einer Werbeanzeige zum Thema konfrontiert. Das heisst: langsam sickert die Erkenntnis des demografischen Wandels und der älteren bundesrepublikanischen Arbeitsplatzbelegschaft auch in die Allgemeinheit durch. Diesmal wurde ich auf die Inqa (Initiative Neue Qualität der Arbeit) aufmerksam. Eine Initiative, die von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin unter Einbezug des politisch korrekten Umfeldes (Gewerkschaften, Ortskrankenkasse, Länderministerien etc.)begründet wurde. Wenn ich es recht verstehe, geht es um die Bekämpfung von Vorurteilen gegenüber älteren Arbeitnehmern und die Unterstützung von Unternehmen, um mit ihrer alternden Belegschaft medizinisch wie psychologisch richtig umzugehen. Eine ganze Reihe von Flyern stehen zum kostenfreien Download bereit. Lokale Netzwerkpartner werden genannt. Arbeitgeber, die das Gefühl haben, sie muessten etwas tun, da sich auch in ihrem Haus das Durchschnittsalter der Belegschaft immer weiter gen 50 fortentwickelt, bekommen hier Anknüpfungspunkte en gros. Nur machen muss man selber. Jedenfalls schadet es nicht, auch den eigenen Arbeitgeber auf diesen Verbund hinzuweisen.

Silver Tsunami

Silver Tsunami

Als wir in unserem Buche vom „demographischen Tsunami“ sprachen, klang das in manchem Ohr zu alarmistisch. Nun stellt The Economist – ein für seine britische Unaufgeregtheit bekanntes Magazin – einen Beitrag über die alternde Arbeitnehmerschaft in vielen Ländern unter den Titel „The silver tsunami“ (Vgl. The Economist, Feb.6th, 2010, S. 64). Die Zeitschrift beklagt, dass sich nur die wenigsten Unternehmen mit der Herausforderung einer alternden Belegschaft kreativ auseinandergesetzt hätten. Es gibt auch Ausnahmen: Netto, die dänische Einzelhandelsgruppe, experimentiert mit Läden deren Belegschaft grundsätzlich 45 Jahre und älter ist. Schwedens Elmhults Konstruktions und das niederländische Unternehmen Hazenberg Brew haben Mentoring-Systeme eingeführt, um jungen Mitarbeitern die Chance zu geben, von ihren Vorgängern kompetent eingearbeitet zu werden. BMW wird als Vorreiter im Produktionssektor ausdrücklich erwähnt. Aber aufs Ganze gesehen muesste viel mehr passieren. Das Magazin geht so weit, dies zu einer Überlebensfrage für viele Unternehmen zu machen. Mal sehen, ob, wo und wann dies fruchtet.

Der zweite Blick auf die Statistik

Die demografische Entwicklung wird landauf, landab bedauert, begrüßt, besprochen – je nach Standpunkt und Marktinteresse. Ein zweites Hinschauen nutzt aber auch bei den gemeinhin als Standards gesehenen „Vor-Urteilen“: Immer mehr Menschen werden in diesem Land immer älter, also werden auch immer mehr Menschen pflegebedürftig. Nein, das ist so plan nicht richtig. Dankenswerter Weise räumt der Pflegereport der GEK mit diesem Ammenmärchen auf: „….das altersspezifische Risiko, pflegebedürftig zu werden, (ist) zwischen 2000 und 2008 bei Männern jährlich um ein Prozent und bei Frauen um 3,6 Prozent gesunken.“ Wir altern also gesünder. Der Report fasst noch eine ganze Reihe von interessanten Daten zur Pflegesituation in Deutschland, besonders aber zu ihren regionalen Unterschieden in den einzelnen Bundesländern zusammen. Jeder hat die Freiheit, sich desinteressiert zu diesem Thema zu verhalten, aber es kann keiner mehr behaupten, diese oder jene Entwicklung habe er nicht ahnen können. Die Transparenz  im gesamten Pflegebereich nimmt dankenswerter Weise schnell zu.

Und wieder ein Jährchen drauf

Mit schöner Regelmaessigkeit gibt das Statistische Bundesamt bekannt, dass an Hand der Sterbetafeln neue Altersrekorde (statistisch) ins Haus stehen. Dies ist so wiet Routine, dass man darüber eigentlich nicht zu reden bräuchte. Die Tagesschau hat noch etwas tiefer gblickt, und bei ihr liest man, dass die Lebenserwartung der Jungen den Angaben zufolge um fünf Monate, die der Mädchen um einen Monat gestiegen sei. Dies ist nun tatsächlich sehr interessant, da sich bei der Fortschreibung einer solchen Diskrepanz das Sterbealter von Mann und Frau bald angenähert haben könnte. Wo liegen die Gründe? Was hat sich am Setting geändert, dass die Männer auf einmal zulegen können. Ob die Wissenschaft eine Anwort versuchen wird?

Zahl des Monats

Das Rostocker Zentrum für demographischen Wandel hat hoch interessante „Alterszahlen“ veröffentlicht: „In Deutschland ist die Sterblichkeit der unter 65-Jährigen zwischen 1991 und 2006 bei den Männern um 35 Prozent und bei den Frauen und 30 Prozent gesunken.“ Wenn das in dem Tempo so weitergeht…

Alt, Älter, Parteimitglied

Dieser Tage war – ich weiss nicht mehr wo – zu lesen, dass die Linke mit einem Durchschnittsalter ihres Parteivolkes von über 62 Jahren wenigstens hier eine Spitzenposition einnimmt. Ein Gutteil davon dürfte auch schon Mitglied der Vorläuferpartei PDS gewesen sein. Platz zwei geht an die SPD mit 58 Jahren Durchschnittsalter. Die Grünen bilden mit 49 Jahren Altersdurchschnitt die „Yougster-Partei“. Tja, so ist die Jugend in die Jahre gekommen…

Nun könnte man einen beleidigten Diskurs über die Politikmüdigkeit der Jugend anfachen. Oder das Gegenteil: wenn die Jugend weder Zeit noch Engagement zu besitzen scheint, um sich parteipolitisch zu engagieren, dann macht dies doch das Feld für ältere Durchstarter frei. Das Thema „Was mache ich (nach den Ferien), wenn ich in Rente bin?“, bleibt eine aktuelle Frage. Nichts gegen Töpferkurse und Nordic-walking-Ausflüge, aber warum nicht die eigenen Erfahrungen und Ideen fruchtbar machen und die Parteienlandschaft von Innen heraus erneuern? Dass Innovation kein Jugendfach ist, ist auf diesen Seiten oft genug belegt worden. Also: auf in die Politik! Sie kann nur besser werden!

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