Knabbern an der Grenze

Knabbern an der Grenze

Während es jetzt den ersten Jahrgag „erwischt“ hat, der einen Monat später in Rente gehen darf, flammt die Diskussion erneut auf, ob die Rente mit 67 eine Zumutung darstellt (so einige Gewerkschaften) oder im Gegenteil noch  nicht weit genug gedacht ist (so z.B. Allianz-VV Michael Diekmann). Diese Diskussion wird es sich m. E. auf absehbare Zeit im öffentlichen Raum bequem machen und – wie beispielsweise die Diskussion um Abgeordnetendiäten – immer wieder „hoch poppen“. Zuwandererrate, Rentenkassenstand etc. bieten immer wiederkehrende Möglichkeiten hierzu. Wesentlich origineller und auch beachtenswerter ist das Plädoyer von Hans Magnus Enzensberger in einer der letzten SPIEGEL-Ausgaben: er fordert das Ende des staatlichen Rentendiktats und die Vertragsfreiheit unter den Beteiligten. Angesichts der Buntheit der gesellschaftlichen Lebenswirklichkeit hat jede Abkehr von Generalnormen (vom Strafrecht einmal abgesehen) etwas wohlig realistisches an sich. Manch einer muss heute länger „buckeln“ als er möchte; andere  müssen wider ihren eigenen Willen durch  staatliche Zwangsbeglückung ihren geschätzten oder gar geliebten Job (ja, das gibt es!) vorzeitig an den Nagel hängen. Wie demokratisch vernünftig wirkt da die Option einer selbstbestimmten Entscheidung! Und es scheint mir keineswegs ausgemachte Sache zu sein, dass die Rentenkasse unter einer solchen Individualisierung leiden müsste!

Die definitive Rentengrenze wird weiterhin im Nebel bleiben

Die definitive Rentengrenze bleibt bis auf weiteres im Nebel

Bilder, die Mut machen können

Machen wir uns nichts vor: auf den Ruhestand freut sich der eine oder die andere. Und oft geschieht dies ja auch zu Recht, aber auf das Altern selbst freuen sich oft nur Menschen, die hoffen, mit einer quergestriegelten Meinung mal in die Medien zu kommen. Hat aber nun die Angst vor dem Alter im Lauf der letzten Jahre zu- oder abgenommen? Mein Bauchgefühl sagt: „abgenommen“. Im Sinne der selbsterfüllenden Prophezeiung ist das bestimmt von Vorteil. Wissenschaftliche Fortschritte in vielen relevanten Bereichen (Gelenkprothesen, Herzschrittmacher, Selbstfahr-Rollstühle, Seniorenhandys etc.) liefern gute Begründungen. Was spricht gegen angstfreie Entspanntheit angesichts zunehmender Altersringe? Vielleicht die Aussicht, mit ganz vielen ähnlich alten Menschen zu tun zu haben? Nun, das Zuviel der ähnlich Alten hat den meisten Babyboomern weder die Kindheit noch das Erwerbsleben verdorben. Ausserdem kann man seinen Umgang mit anderen Generationen im fortgeschrittenen Alter freier bestimmen als je zuvor: in der Schule, Ausbildung und Uni ist man mit Gleichaltrigen zusammen; der Betrieb lässt einem meist keine Alterswahlchance zwischen verschiedenen alten KollegInnen. Aber danach hat man die statistisch grösste Wahlfreiheit bezüglich des eigenen Umgangs. Wer nun immer noch nicht überzeugt ist, dass das mit der Angst vor dem Alter eher eine unreife Maulwurfstaktik ist, schaue sich mal die wunderbaren Portraits von Über-Hundertjährigen an, die der Stern zu einem Buch zusammengestellt hat. Einen Blick kann man hier riskieren. Die Bilder sollten manche Ängstlichkeit zu neutralisieren helfen.

Europa, der alternde Kontinent

Europa, der alternde Kontinent

Nein, nein, es geht nicht um Donald Rumsfelds „altes Europa“ von 2003. Die Europäische Union hat mittlerweile selbst erkannt, dass sie immer älter aussieht. Deutschlands demopraphische Probleme zeigen sich in abgeschwächter Form auch in anderen Ländern der Union. Ab dem kommenden Jahr wird die Bevölkerung Europas im erwerbstätgen Alter abnehmen. Jährlich werden zwei Millionen Menschen die Schwelle von 60 Jahre überschreiten.

Um die lokalen Verantwortungsträger darauf vorzubereiten, hat die EU das kommende Jahr 2012 zum „Europäischen Jahr für aktives Altern“ erklärt. Im Zuge einer Medienkampagne soll alle Welt dafür sensibilisiert werden, dass man etwas für gesünderes Altern tun kann. Ein längerer Verbleib im Erwerbsleben steht genau so auf der Agenda wie die Förderung ehrenamtlichen Engagements.

In Deutschland wird angesichts des Fachkräftemangels mit der Kampagne wohl nur an sperrangelweit geöffneten Türen gerüttelt. Hingegen dürfte es spannend werden zu beobachten, wie die Bevölkerung in Ländern mit einer Jugendarbeitslosigkeit von 20% oder gar 40% auf derartige Sensibilisierungen reagiert. Ein „clash of generations“ scheint mir durchaus denkbar. Frankreich weist momentan eine Rate von 22,8 % Jugendarbeitslosigkeit auf, Italien 27,7 % und Spanien führt mit unglückseligen 45,7% die Liste an. Näheres kann man hier nachlesen.

„Seniorenfreundliches Hamburg“

„Seniorenfreundliches Hamburg“

Neben dem Konzept der „wachsenden Metropole“ hat sich die Hansestadt und diesjährige „Umwelthauptstadt Europas“ der Seiorenfreundlichkeit verschrieben. Dabei ist die Altersstruktur der Stadt im Verhältnis noch kommod: der Anteil der BürgerInnen über 60 liegt bei unter 25%. Das sieht in anderen Städten und Gemeinden schon deutlich anders aus. Und den Prognosen der Europäischen Statistikbehörde wird sich dies aufgrund der Wachstumgsprognose für die Region kaum ändern.

Alt, dynamisch  und attraktiv – nicht nur diese Traditionssegler beim Hamburger Hafengeburtstag 2011

Dem Konzept sollte eine saubere Analyse vorangehen. Dies hat auch der Hamburger Senat so gesehen und die Studie „Die Gesundheit älterer Menschen in Hamburg“ vorgelegt. Gewiss: eine lokale Befragung – noch dazu in einer der wohlhabensten Gemeinwesen Deutschlands. Aber auch wenn keine Repräsentativität gegeben ist, werden zwei Dinge deutlich: „Alter“ ist heute ein Etikett unter dem sich mehr Individualität und jeweilige Einzigartigkeit entdecken lässt als unter seinem Pendant „Jugend“. Die entwickelte Persönlichkeit braucht nicht mehr auf die Ansichten und Verhaltensnormen ihrer Peergroup Rücksicht zu nehmen. Zum anderen geht es den Alten gut! Natürlich nicht allen, den Armen und den sehr alten Frauen am wenigsten. Aber es geht ihnen in einem emphatischen Sinne gut, der der kollektiven Assoziation von „Alter“ eher entgegengesetzt ist: Mangel und Defizit an allem was einem früher reich gegeben war – genau diese Vorstellung haben die Hamburger Alten nicht. Und dass die Bilder im Kopf Wirklichkeit erzeugen bzw. Ziel und Richtung des eigenen Verhaltens nachhaltig beeinflussen, ist mittlerweile auch bei Alten oder Altersanfängern nachgewiesen. Auch hierzu nimmt der kluge Einleitungstext in der Hamburger Studie Stellung. Drei Fakten seien noch genannt:

78 Prozent der befragten 60-90-Jährigen bewerten ihre Lebensqualität mit sehr gut oder gut;

73 Prozent meinen, dass sie viel oder sehr viel für die eigene Gesundheit tun können.

Frauen kümmern sich (zumindest dem Selbstbild nach) erheblich mehr als Männer um gesunde Ernährung und ausreichende Bewegung. Kein Wunder also, wenn sie älter als die Männer sterben.

Die Studie zeigt, wo das Individuum und wo der Staat, die Gemeinschaft Handlungsfelder haben, die sich positiv auf den weiteren Lebensverlauf auswirken. Auch das mach sie interessant!

 

67, 68, 69

Salamitaktik könnte man es nennen: nach dem beschlossenen Renteneinstiegsalter 67 Jahre haben die  fünf Wirtschaftsweisen heute empfohlen, ab dem Jahre 2049 den Renteneintritt auf 68 oder 69 Jahre anzuheben. Der Proteststurm dürfte ihnen sicher sein. Wer sich an unser Anfänger-Büchlein erinnert, weiß, dass wir mit Blick auf die Rostocker Demographieforschung von einem Einstiegsalter von 72 Jahren ausgegangen waren. Wer hier Recht hat, lässt sich nicht wirklich bestimmen, da die Faktoren Zuwanderung, Steigerung der Erwerbspersonen und Zuschuß zur Rentenkasse aus dem Bundeshaushalt Steuerungsgrößen der Poltik sind – wenn sie ihr Handwerk denn mit Blick auf die Notwendigkeiten ernst nimmt. Wir werden sehen…Unstrittig ist aber, dass das noch faktische Renteneintrittsalter von 62, 63 Jahren auf keinem Wege finanzierbar bleiben kann.

Auch Cannes wird älter

Die 64. Filmfestspiele in Cannes sind just eröffnet worden. Präsident der Jury ist in diesem Jahr Robert de Niro, der in drei Monaten 68 wird. Und der Eröffnungsfilm stammt von Woody Allen. Diese Großmacht des Independant Kinos hat bereits 75 Jahre auf dem Buckel. Man sieht es ihm nicht an. Ob die Filme bei so viel Lebeserfahrung besser sind, sei dahin gestellt. In jedem Falle ist Alter kein Handycap, um auf dem roten Teppich ganz vorne mit dabei sein zu dürfen. Gut so!

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