26.05.2010 | Allgemein, Gesundheit, Humor, Philosophie, Wohlbefinden
Natürlich möchte ich der deutschen Ärzteschaft und ihren besorgten Besuchern nichts ans Zeug flicken. Aber es fällt schon auf, dass der Durchschnittsdeutsche ca. dreimal mehr Besuche bei Tante oder Onkel Doktor absolviert als beispielsweise der Durchschnittsschwede. Liegt das an den weiteren Wegen oder an dem höheren schwedischen Selbstvertrauen, schon zu wissen, was für einen selbst gut ist? Nun, ich weiss es auch nicht, aber es lohnt vielleicht, vor dem nächsten Arztbesuch diesen selbst einmal probeweise in Frage zu stellen. Ein Gedicht aus der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts kann hier unterstützen:
Der wider die Gesätze der Arzneykunst genesene Bauer
Ein Bauer machte sich vom Fieber
Mit Wein und Pfeffer glücklich frey.
Ein junger Doctor lachte drüber,
Und sprach, daß das unmöglich sey.
Ja sagte Jener, der genesen,
An diesem liegt mir nicht ein Haar,
Obs möglich oder nicht gewesen;
Genug für mich: Es ist doch wahr.
Carl Friedrich Drollinger
10.10.2009 | Design, Kino, Kultur, Philosophie


Zeichentrickfilme sind vor allem etwas für Kinder. Eine lieb gewonnene Erkenntnis, die bis vor einigen Jahren auch ihre Richtigkeit hatte. Bis sich die Disney-Studios der Unterstützung der Filmanimateure von Pixar versicherten. Schon bei „Findet Nemo“, „Ratatouille“ und „Wall-E“ – um nur drei frühere Produktionen zu nennen – waren viele der liebevollen Details nur Menschen mit größerer Lebenserfahrung als sie der scheinbare Kernzielgruppe der 5 bis 15jährigen gegeben ist, zugänglich.
Mit „Oben“ gehen die wunderbaren Pixarkünstler noch einen Schritt weiter: der Verlust des Ehepartners und die Folgen soziale Vereinsamung bilden den in Moll gehaltenen Auftakt zu diesem großen Film. Natürlich gibt es bunte Gesichter und sogar eine beeindruckende 3D-Animation, aber die wahren Qualitäten dieses Streifens liegen in dem Mut, Altersprobleme und -herausforderungen unter der leuchtenden Firnis eines Animationsfilms zu thematisieren. Die Verknüpfung der fröhlichen, spannenden, von bunten und vielfältigen Charakteren bevölkerten Oberfläche mit der Tiefenschicht von Abschied, Neudefinition des eigenen Lebens oder der Kraft der Träume verdient den Titel „meisterlich“.
Das Skelett der Geschichte ist schnell erzählt: Nach dem Tod seiner Frau und einer längeren Trauerphase reist ein alter Mann – unfreiwillig begleitet von einem Pfadfinderjungen – mit seinem Haus zu den Traumbergen seiner Kindheit. Dort trifft er… (nein, das sage ich jetzt nicht, sonst habe ich zu viel verraten). Mit Intelligenz, Zähigkeit und wiedergewonnener Energie (Dauer-Fernsehkucken im Sessel macht eben schlapp) rettet er schließlich sich, den Jungen und zwei Tiere aus der Bredoullie. Nebenbei findet er so für sein Leben einen neuen Sinn durch die gewonnene Nähe zu dem Pfadfinderjungen. Soweit die Handlung. Aber der Tiefgang von Motiven, Details und Einstellungen entfaltet sich zwischen all diesem. Auch ein geübtes Cineastenauge wird beim ersten Mal kaum die Fülle dieses Filmlebens auskosten können. Man sollte nie aufhören anzufangen. Dieser Film lehrt, dass dies nicht nur für die Neudefinition der Zielgruppe von Animationsfilmen gilt.
Große Kunst kann Leben ändern – auch dieser Film!
Einen Trailer kann man hier ansehen.
27.08.2009 | Allgemein, Gesellschaft, Philosophie, Sex und Erotik
Unter diesem generationstypischen Titel ist im aktuellen SPIEGEL (Nr. 35) ab Seite 106 ein wunderbares Doppelinterview mit dem Altersforscher Hartmut Radebold und seiner Frau Hildegard veröffentlicht. Da es sich einer kurzen Zusammenstellung entzieht, kann ich nur für das selbst Lesen werben! Einen kleinen Eindruck bekommt man auch in der digitalen Ausgabe.
03.06.2009 | Allgemein, Ernährung, Philosophie, Wissenschaft
Unwillkürlich, ja automatisch bewegt man sich in eine Grauzone hinein, sobald man darüber nachdenkt, ob und wie man den eigenen Alterungsprozess verlangsamen, anhalten oder gar zurückdrehen kann. Bewegung, Ernährung, innere Einstellung: an den drei Hebeln kann man guten Gewissens zum eigenen Vorteil zu drehen versuchen. Und wie sieht es mit medizinischer Unterstützung aus? Hier ein wenig Botox in die Lippen, dort ein wenig Fett absaugen, hier eine Hormonkur: wo liegen die Grenzen? Jüngst hat eine Untersuchung ergeben, dass die so genannten Anti-Faltencremes allesamt – egal ob für drei Euronen beim Discounter oder für 300 in Paris erstanden wurden – ihre Versprechen nicht halten können. Schade, aber es gibt ja immer mehr Mediziner, die es den Wunderheilern, Quacksalbern, Demiurgen oder Allchemisten früherer Zeiten nachmachen und dem Alter nachhaltige Schnippchen schlagen bzw. spritzen, schneiden oder injizieren wollen. Ein Beispiel? Bitte sehr, klicken Sie mal hier. Diese Angebote nehmen zu. Der nachfragende Markt wahrscheinlich auch. Aber der Tod ist uns gewiß. Vielleicht lernen wir ihn leichter zu nehmen, wenn wir selbstbewusst sein Kommen erwarten und nicht wegzulaufen versuchen. Er hot uns ja doch ein. Benjamin Button bleibt eine Hollywoodfabel. Am Ende hat es bei allem medizinischen Fortschritt wohl vor allem mit dem je eigenen Verständnis von Würde zu tun, was wir medizinisch mit uns machen lassen.
18.07.2007 | Allgemein, Kultur, Philosophie
Oder vielleicht besser: nicht die Todesgewissheit leugnen! Gerade kurz nach einer Trauerfeier eines guten Bekannten geht mir durch den Kopf, dass es bei der Gestaltung – „Bewältigung“ klingt mir zu affektiert – des Alters der Einbezug des Todes nicht fehlen darf. Er kommt in jedem Fall. Oft früher als erwartet. Auch wenn man – wie im heutigen Fall – schlank, bis vor kurzem gesund, Vegetarier und mit einer intakten Familie beschenkt ist, kann er, z.B. im Gewand des Bauchspeicheldrüsenkrebses, an die Tür klopfen.
Carpe diem – fang den Tag! Und mach das Dir gegeben Beste daraus! Und Gott dabei um Hilfe zu bitten, kann gewiß nicht schaden. Ohnehin: unsere kulturell errichtete Mauer des Schweigens rund um das Thema zeigt uns doch, wie weit uns andere Kulturen voraus sind, die Leben und Tod als Bestandteile der menschlichen Existenz anerkennen und dementsprechend zu leben verstehen.
24.04.2007 | Allgemein, Philosophie
Der ehemalige Präsident der Max-Planck-Gesellschaft Hubert Markl ruft uns in seinem Beitrag im aktuellen Merkur in Erinnerung, dass der Tod zum Leben dazu gehört. Und dass unsere aktuelle Verdrängungskultur ihm ausweicht – zu unser aller Nachteil. Denn der Tod kommt trotzdem und dann unangenehm überraschend. Dies ist ein Nachteil, der nicht der westlichen Welt per se anhängt und ihren Vorsprung gegenüber wirtschaftlich schwächeren Kulturen in dieser Frage tatsächlich in Frage stellt. Wir haben es in den letzten Jahrzehnten geschaftt, das Sterben aus dem Leben wegzudenken. Man blättere durch die großen Roman des 19. Jahrhinderts: immer wieder versammeln sich die Sippen – oft aus ganz anderen europäischen Ländern kommend – am Sterbebett der oder des Altvorderen. Einübung ins Sterbegeschehen für die nachrückenden Generationen. Aber auch: oft opulent inszeniertes Abschiednehmen als integraler Bestandteil des Lebens als solchem. Wir haben mit unserer verdrucksten Wegschaukultur noch eine ganze Menge wieder neu zu lernen. Dabei konnten wir Europäer es doch schon so viel besser… Mit Markl gesprochen „Erlernen des Lebens, Erziehung zum Leben kann daher immer nur zugleich bedeuten, das sichere Ende mitzudenken, zu bejahen und ins Leben einzubeziehen.“(Merkur 696, S. 317)